Colum McCann: "Apeirogon" (Verlag Rowohlt) | 10.8.2020
Wer die Seiten eines Apeirogons zählen will, braucht viel Geduld und ein nicht unerhebliches geometrisches Verständnis. Wer den Konflikt zwischen Israel und Palästina verstehen will, braucht verschiedene Perspektiven, elementares Geschichtswissen und vielleicht dieses Buch.
Bassam der Palästinenser und Rami aus Israel führen völlig unterschiedliche Leben und sind doch verbunden durch eine Tangente. Beiden Vätern sind die Töchter durch feindliche Übergriffe genommen wurden. Kinder noch - zur falschen Zeit am falschen Ort. Durch "Combatants for Peace" lernen Sie einander kennen und begreifen, dass hüben wie drüben die Attentate und Kollateralschädender der Armee Unschuldige aus ihren Leben reißen und mit Hass kein Frieden zu machen ist. Die beiden Männer nähern sich an, werden Freunde und gehen auf eine ungewöhnliche Reise...
In 1000 Kapiteln erfährt man viel über besetzte Gebiete, Flugrouten von Vögeln und Fluggeschwindigkeiten von Luftgeschossen, der gescheiterten Zweistaatenlösung, gastfreundlichen Palästinensern, willkürlichen Festnahmen bei Grenzkontollen, die erste Intifada, Kindheitserinnerungen, bewohnbare Höhlen, John Cage in Halberstadt, Selbstmordattentäter, Überlebende der Shoah, Abdel Zwaiter, den israelischen Mossad, der Dichte eines Schädelknochens... "Nothing compares
2U" aber alles gehört irgendwie mit allem zusammen, Zufälle schließen sich aus oder ergeben eine mathematische Formel.
Nicht ganz einfach so viel geballte Information zu erfassen und zu verarbeiten. Vieles rauscht an einem vorbei. Zettel und Stift (oder Handy und Google) neben dem Buch könnten helfen. Am Ende bleibt nach wie vor die Frage: wer war zuerst da? Huhn oder Ei? Und man kommt nicht umhin, die ein oder andere Sekundärliteratur zu wälzen.
Lesen!