Schwäne sind keine Vögel für Teiche.

Giulia Caminito:"Das Wasser des Sees ist niemals süß" (Verlag Wagenbach) | 30.8.2022
Ihr Leben sieht Gaia als "Müllhalde der Reichen, die ihrer Sachen überdrüssig geworden sind". Die Familie ist arm und lebt von dem, was andere nicht mehr brauchen. Illegal, unterm Radar der Wohnungsgesellschaft, wohnt sie in einem Haus voller Schaben und Schimmel, im Hof die benutzten Spritzen der Junkies. Der Vater sitzt nach einem Arbeitsunfall im Rollstuhl,die Mutter arbeitet nahezu rund um die Uhr, ist stolz, streng und unnachgiebig. Hält zusammen, was täglich auseinanderzubrechen droht. Sohn Mario ist ein anarchistischer Nichtsnutz, die Zwillinge zu klein, um das Dilemma der Familie zu verstehen. Gaia, ist wütend, unangepasst, lässt nichts und niemand an sich heran. Penedrant erwirkt Mutter Antonia beim Sozialamt einen Wohnungswechsel in eine bessere Gegend, am Rande Roms und ermöglicht Gaia den Besuch einer guten Schule. Zwingt ihre Tochter, sich Bildung anzueignen. Gaia ist klug, lernt wie verrückt, verschafft sich Respekt und Anerkennung, geht verbissen ihren Weg, der eigentlich Antonias Traum eines besseren Lebens ist. Zum Trotz und als Akt der Rache, studiert Gaia Philosophie. Doch damit ist "kein Blumentopf zu gewinnen" noch nicht mal eine Stelle in einer Fleischerei zu ergattern. Nur die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer da war und niemals aufhören wird. Ohne Liebe und die Fähigkeit empathisch zu sein, nutzt auch die beste Bildung nichts. Am Ende scheitert Gaia an sich selbst und dem Unvermögen dem Leben eine Chance zu geben.
Sehr deprimierend aber unglaublich gut! So wahnsinnig  spannend zu lesen, was dieses ungestüme Mädchen, die Tochter, die Freundin eines Jungen, die beste Freundin einer Gleichgesinnten, die Schülerin, die Studentin...sich selbst und anderen alles zumutet. Ein Buch über prekäre Verhältnisse? Ja aber auch ein Buch über Mut und Stolz und das Scheitern einer vermeintlichen Wohlstandsgesellschaft.
Lesen!
Unbedingt lesen!