Jean Racine und seine Verse, seine Dramen und Tragödien werden ihr zu den einzigen Freunden, von denen sie sich noch verstanden und ertragen fühlt. Wir alle kennen das. Mehrere Male und in epischer Breite vorgetragener Liebeskummer, halten die besten Freunde auf Dauer nicht aus. Man kann sich ja selbst kaum ertragen, wie sollen es andere? Wohl dem, der das richtige Buch zur Hand hat, um sich darin zu verkriechen und der Welt den Rücken zu kehren. Und je tiefer Bérénice in die Geschichte Racines eintaucht, um so mehr erfährt der Leser über die französische Barock-Ikone. Eine Biographie, geprägt von anfänglicher Askese durch lange Klosteraufenthalte, bis hin zu Prunk und Protz am Hofe König Ludwigs XIV. So aufregend, wie es heute kaum aufregender sein kann. In Dauerkonkurrenz mit Molière schafft es Racine irgendwann sich durchzusetzen. Wird bei Hofe aufgeführt, reüssiert und lebt doch immer am Abgrund der Gefühle. Mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Erfolg wird von harscher, zynischer Kritik abgelöst. Großer Liebe folgt großer Liebeskummer und umgekehrt. Und Racine leidet wie ein Hund. Immer und an allem. An sich, am Leben, dem Theater... und vor allem an der Liebe. Vielleicht auch nur, um sein Genie zu befeuern. Oder sich immer wieder von der Literatur Vergils und Heliodors trösten zu lassen, die ihn ein Leben lang begleiten und uns Lesern Lust machen, die alten Dichter und Epiker neu zu entdecken.
Wie kann ein Mann aus dem 17. Jahrhundert so berührend über die Liebe schreiben? Und noch dazu aus weiblicher Sicht? Das ist wirklich ungewöhnlich und sehr beachtlich! Und so schön!
Was für ein großartiges Buch! Eine Ode an die Literatur und die Sprache der Liebe.
Ob mit oder ohne Liebeskummer:
Lesen! Unbedingt lesen!