Schnauze voll und ab dafür!

Mareike Fallwickl:"Die Wut die bleibt" (Rowohlt | 21.3.2022
Haben wir kein Salz? Eine simple Frage, die ein Fass zum Überlaufen bringt, Helene vom Abendbrottisch aufstehen und vom Balkon springen lässt. Einfach so! Drei Kinder bleiben zurück, ein Mann der sich immer nur hinter seiner Arbeit verschanzt und Sarah, die beste Freundin, die nie kapiert hat, was wirklich mit Helene los war. Die nicht gesehen hat, auf welches Unglück die Freundin da zusteuert. Mit ihr über die vielen Mutterwitze gelacht hat, die eigentlich nur gut verpackte Hilferufe waren. Sarah, selbst kinderlos und mit einer biologisch tickenden Gebärmutter schließt übergangsweise Helenes Lücke. Um wenigstens jetzt da zu sein. Wenn schon nicht mehr für ihre geliebte Helene dann wenigstens für die Kinder. Und tappt in die gleiche Falle. Während Leon ihr junger Lover ihr Haus hütet, einfach bei ihr einzieht und das Haus nach und nach in Beschlag nimmt, quetscht sich Sarah in die kleine Wohnung, zwischen den trauernden Vater Johannes die fast erwachsene Tochter Lola die sämtliche Nahrung und Annäherungsversuche  verweigert und die zwei kleinen Zwerge, die eigentlich nur streiten, weinen, gefüttert und getröstet werden wollen. Während Sarah den Haushalt schmeißt, die Familie strukturiert und am Laufen hält, erweist sich Johannes, wie immer als völliger Totalausfall. Erst Lola, die ihre Trauer in Wut umwandelt, erkennt irgendwann warum ihre Mutter diesen einen Schritt zuviel gegangen ist. Und weiß, dass sich nichts ändern kann, wenn nichts passiert. Ihre Rebellion und ihr wütender Feminismus richten sich gegen Männer die ihre Unzulänglichkeiten kultivieren, selbstgefällig ihre pure Daseinsberechtigung zur Schau tragen - vor allem gegen ihren Stiefvater Johannes. Durch eine unangenehme Testosteronbegegnung kommt Lola zu einer Gruppe junger Frauen, die im Kampfsport die Möglichkeit der Selbstverteidigung und Selbstbestimmung finden. Von essgestörter Bohnenstange entwickelt sich Lola zu einer Kampfmaschine, erobert sich ihren Körper zurück, pfeift auf Schönheitsideale und geht neue Wege. Und öffnet Sarah die Augen. Ein Jahr nach "The End"muss sich etwas ändern. Sarah will ihr Leben zurück auch wenn sie die Kinder vermissen wird. Der junge Lover entpuppt sich als Hemmschuh und muss entsorgt werden. Für Johannes wird es Zeit endlich Verantwortung zu übernehmen und Vater zu sein.
Parallel werden immer wieder Männer verprügelt, die sich an Frauen sexuell und oder gewalttätig vergangen haben. Eine Komponente, die dem Buch einen weiteren Drive gibt und nochmal ganz andere Türen aufmacht. Super spannend und ganz schön krass.
Am Ende versteht man auch warum es keinen anderen Weg gab als wirklich den Löffel endgültig abzugeben. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten einer Falle zu entrinnen, die schon Frauen Generationen vor uns gelegt wurde. Oder ihr gar zu entgehen. Es wird lange dauern, bis wir wirklich sind wer wir sind oder sein wollen. Irgendwann muss frau anfangen Nein! zu sagen! Besser spät als nie und am besten JETZT!
Lesen!
Unbedingt lesen!