Alles Porno oder was?

Miranda July:"Auf allen Vieren" (Verlag Kiepenheuer&Witsch) | 13.5.2024
Eine Frau Mitte vierzig stürzt sich in ein letztes, großes Abenteuer. Aus Angst zu vertrocknen, das Klimakterium ist im Anmarsch, treibt sie ihre Suche nach Freiheit und sexueller Erfüllung in eine queere, pornografische Parallelwelt.
Sie verlässt Mann und Kind für zwei Wochen, um einmal quer durchs Land zu fahren. Von LA nach New York. Doch schon nach 20 Kilometern strandet sie in einem Motel, richtet sich dort ein, verliebt sich in einen jungen Autoverkäufer, lässt sich hinhalten und auf schräge Sexspiele ein. Verzehrt sich und findet allein in permanenter, nahezu agressiver Selbstbefriedigung nur wenig befriedigende Höhepunkte. Während die Zeit läuft, gibt es weitere sexuelle  Begegnungen, die sie auf unerwartetes Terrain führen und alles in Frage stellen. Nach Hause zurückgekehrt, kann sie kaum am Familienalltag teilnehmen, alles scheint ihr falsch, zu eng, zu engültig vorbei. Sie denkt nach über "psychosexuelle Demokratie", polyamore Beziehungen, verliebt sich erneut in eine Künstlerin, öffnet ihre Ehe. Sex soll der radikalen Befreieung dienen, wird zu einer Sache zwischen "Leben und Tod" und lässt sie doch in sich selbst gefangen bleiben.
Erst als sie beginnt ein Buch darüber zu schreiben und viele Gespräche mit Gleichgesinnten zu führen, kommt sie zu der Erkenntnis, dass das Ende der Fruchtbarkeit auch der Anfang eines neuen, selbstbestimmtem Leben sein kann.
Typisch amerikanisch wird hier ein Phänomen verhandelt, dass unweigerlich auf alle Frauen zukommt, von Männern oft belächelt wird und in der Regel, einen zweiten Lebensabschnitt einläutet. Jede Frau geht anders damit um und ein Patentrezept gibt es nicht. Mit diesem Buch könnte man allerdings neue Wege denken. Ob Sex ein Gefühlsretter ist, bleibt dahingestellt. Doch sich ehrlich, offen und proaktiv einer neuen Lebenssituation zu stellen, sollte das Gebot der Stunde sein.
Toll übersetzt von Stefanie Jacobs
Lesen!