Don Quijote und Dulcinea im zwanzigsten Jahrhundert!

Juan Gómez Bárcena: "Der Himmel von Lima" (Verlag Secession) | 21.10.2016

Juan Gómez Bárcena: "Der Himmel von Lima" (Verlag Secession)Zwei junge Möchtegern-Dichter, die alles sind aber keine Literaten, erschummeln sich die Gunst des verehrten, späteren Nobelpreisträgers Juan Ramón Jiménez.  Eine ausgedachte Muse soll einen Briefwechsel zwischen den beiden Freunden und dem großen Meister befeuern und somit Gedichte und echte literarische Vorlagen für ein großes Romanvorhaben der beiden liefern.  Dumm nur, dass die Muse Georgina schnell eine eigenständige Person wird, die den beiden jungen "Dichtern" wechselweise entgleitet und über den Kopf wächst.  

Mehr und mehr entzweien sich die Freunde. Unstimmigkeiten über die Entwicklung der stets abwesenden Hauptprotagonistin, gesellschaftliche Umbrüche, exzessiver Opiumgebrauch und der Unterschied zwischen altem und neuem Geld, stellen die Freundschaft immer wieder auf harte Proben.  Und dann kommt Meister Jiménez mit einem Wunsch, den die beiden Betrüger nicht abschlagen können...

Was für ein Schelmenstreich ist dieser Entwicklungsroman zwischen Komödie und Tragödie.  Ein Roman über die Kraft der Liebe und ein Sittengemälde Perus Anfang des 20. Jahrhunderts.  Das Patriarchat der Oberschicht wird von einem der "jungen Wilden", der sich selber dessen gesellschaftlichen Fesseln nicht entziehen kann, ad absurdum geführt und schließlich demontiert.  Die Macht und Kraft der Literatur ist kein Allheilmittel gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, dennoch war sie schon immer das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und ohne die Literatur wäre alles nichts!  

Lesen!  
Unbedingt lesen!


Zwischen Namedropping und Sinnsuche.

Mathias Enard: "Kompass" (Verlag Hanser) | 16.10.2016
Franz Ritter ist Musikwissenschaftler, Sarah Orientalistin. Wesentlich jünger und besessen, von Istanbul bis Aleppo, nimmt Sarah Franz, der von Sarah besessen ist, mit auf Forschungsreise. Was für ein Schatzkästlein sich ihm dadurch öffnet, wie groß der kulturelle Einfluss des Abendlandes auf die westlichen Kulturen war, wie verklärt der Okzident noch immer auf den Orient schaut, erinnert er sich später, in einer schlaflosen Nacht. Und geht noch einmal auf Reisen....

Städte, die uns heute nur noch unter Beschuss, im Dauerkrieg zerstört und als große Massengräber präsentiert werden, lässt Enard erneut aufleben, nimmt den Leser mit in ferne, geheimnisvolle, wunderschöne Länder. Acht Jahre hat der Autor für dieses Buch geforscht und recherchiert. Dementsprechend lang sind die Listen und Erwähnungen bekannter Orientalisten, Musikwissenschaftler und Literaten. Von Adorno über Kafka, Magris und Stefan Zweig (und gefühlte hundert Namen mehr) hat der Orient die Literatur beeinflusst. Von Kunst und Musik ganz zu schweigen!

Die meisten Namen kennt man (vielleicht) nicht, viele Zusammenhänge erschließen sich einem dadurch oft schwer oder gar nicht. Das muss man aushalten können und tapfer überlesen oder selber recherchieren. Und überhaupt verlangt uns Mathias Enard (Prix Goncourt 2015!) einiges ab! Das muss man wollen! Da kann man sich intellektuell mal richtig schön abarbeiten! Aber wenn man sich drauf einlässt, wird man reich beschenkt!

Mit einer charmanten Liebesgeschichte, einer großen Sinnsuche, dem immer währenden Kampf der Kulturen und wunderbaren Reisen, quer durch ehemals blühenden Landschaften des Morgenlandes!

Diese Buch liest man mindestens zweimal!
Lesen!
Unbedingt!


Gestatten: bin Laden.

"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes) | 6.10.2016
"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes)Ein Spezialteam, angewiesen mit "kill or capture" und dem Codewort "Geronimo", lässt 2011 die Welt den Atem anhalten, als der schlimmste Feind des amerikanischen Imperiums und der Welt, das Zeitliche segnet. Hat er wirklich? Wie bei allen Verschwörungstheorien, gibt es Zweifler, Zeugen und angeblich sogar handfeste Beweise, dass Osama, gut versteckt und reichlich kostümiert in Lederkluft und dunkler Sonnenbrille, mit einem Motorrad durch die Nächte brettert.

Etwas hanebüchen? Zugegeben! Aber waghalsig ausgedacht und spannend zu einem Plot gebastelt, der sich lesen lässt. Tom Johnson, ex-CIA Mitglied, kommt der heimlichen Hintergrundgeschichte von Osama bin Laden auf die Spur.  Nahezu sympathisch erscheint einem dieser verrückte Massenmörder, bar jeder Macht und Verantwortung. Fast rührend, wie er sich um seine zwei Lieblingsfrauen und Kinder sorgt. Eine kleinen Bettlerin, die durch sein Regime Hände und Ohren verloren hat, vor dem Hungertod bewahrt. Am Ende muss natürlich auch Osama dann doch dran glauben - wär ja noch schöner!

Und vorher erfährt man soviel über die großen Weltreligionen und ihre Auswüchse, wie es eben nur Leon de Winter, auf die Schnelle und leicht lesbar zu erzählen vermag. "So was kommt von so was" und nichts geschieht ohne Grund. Wo und wann und wie hat das eigentlich alles, verdammt nochmal, angefangen? Wie verhalten wir uns zu Politik, Religion und dem humanistischen Grundgedanken (grade jetzt!)? Ja, da stellt man sich ein paar unangenehme Fragen, die man vielleicht nicht so richtig beantworten kann! Kann Leon de Winter natürlich auch nicht. Dafür erfährt man aber, warum die Goldberg-Variationen "Goldberg-Variationen" heißen, Glenn Gould ihr bester Interpret ist und warum grade diese Komposition von Al-Quaida so verteufelt wurde. Man erfährt, wie wichtig ein alter Holzschemel sein kann, und dass es manchmal besser ist, einige Dinge zu lassen, wie und wo sie sind. Und dass Geld und die Gier danach, den Charakter versaut!

Johnsons Leben, seine Ehe - alles geht den Bach runter. Den Tod seiner kleinen Tochter konnte er nicht verhindern, die CIA hat ihn nicht grade ehrenhaft verabschiedet, die Frau ihn verlassen und längst mit einem neuen Mann eine neue Familie gegründet. Perspektivisch gesehen alles ziemlich düster für unseren Steppenwolf. Doch am Ende findet er die Möglichkeit etwas gutzumachen und ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen. Und so hat das ganze dann doch einen Sinn gehabt!
Beste Unterhaltung!

Äußerst spannend und gut recherchiert!
Lesen!

Engel des Todes - eine Lebensbeichte.

"Am Rand" Hans Platzgumer (Verlag Zsolnay) | 5.10.2016
"Am Rand" Hans Platzgumer (Verlag Zsolnay)

Vinchgau ein Dorf in Westösterreich. Jugoslawische Banden und Kleinkriminelle aus Anatolien tyrannisieren die triste Siedlung, in der Gerold zu Hause ist. Die Mutter Prostituierte, der Vater unbekannt. Mit diesem Stammbaum ist man entweder verloren oder tritt einem Karateverein bei.

Gerold, dem der Kampfsport nicht nur Kraft und Ansehen verleiht, ist ansonsten ein stiller, nachdenklicher Junge. Zu dritt träumen sich die Freunde auf Kränen, baufälligen Brücken und gefährlichen Felsvorsprüngen weg vom einfachen Leben, voller Entbehrungen. Typische Adoleszenzgeschichten zwischen Heranwachsenden, wenig beaufsichtigten Halbstarken tragen sich zu.

Gerold beginnt den ersten Mord am todkranken tyrannischen Großvater, der "nach Hause" zurückgekehrt ist, um sich von Tochter und Enkel den Lebensabend erleichtern zu lassen. Früher Missbrauch und ständiges Drangsalieren der Tochter, Gerolds Mutter, ist für den Jungen Grund genug dem Wiedersacher den Garaus zu machen. Der zweite "Mord" ist eher eine Sterbehilfe, die Gerold viel später, einem schwer verletzten Freund erweist. Als ihm selbst das Leben zu gelingen scheint und er ein Art Glück und Zufriedenheit erlebt, klopft der Tod erneut an seine Tür. Und lässt Gerolds Leben aus den Fugen geraten. Nun steht er am höchsten Punkt des Bocksbergs und es fehlt nur noch ein konsequenter, letzter Schritt...

Harter Tobak in höchst literarischer Form. Wer Robert Seethaler "Ein ganzes Leben" gern gelesen hat, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen! Ganz schlicht und klar wird hier über eine Ungeheuerlichkeit berichtet, dass es einen umhaut! Was für eine schöne Sprache, kein Wort zu viel!
Lesen!
Unbedingt lesen!


Im Labyrinth!

"Die Knochenuhren" David Mitchell (Rowohlt) | 26.9.2016
David Mitchell "Die Knochenuhren"

Als Holly Sykes 1984 nach einer seltsamen Begegnung mit einer alten Lady von zu Hause abhaut, ahnt sie nichts von einer zweiten Nabelschnur, und dass ihr Körper Hüterin einer alten Seele ist. Unscheinbar, vorsichtig und eher freudlos, verbringt Holly ihre Jugend an verschiedensten Orten der Welt. Immer unter Beobachtung und immer auf der Hut. Vor den "Radiomenschen", Stimmen, die nur für sie zu hören sind. Vor nächtlichen Besuchern, die sich plötzlich materialisieren und genauso plötzlich wieder verschwinden. Vor Zeitlöchern, Vorahnungen und kurzen Aussetzern, in denen sie in Zungen spricht.

Als sie D'Arnog kennenlernt, der absurderweise behauptet 1897 geboren worden zu sein, und das erste Mal von den Anachoreten erfährt, passen pötzlich immer mehr Puzzleteile zusammen. Unfälle, die sie vorrausgesehen hat, ihr vor vielen Jahren, auf mysteriöse Weise, verschwundener kleiner Bruder. Gedichte über Apex-Räuber und Seelenfresser.
Nachrichten über Labyrinthe und Horologen. Verschwörungstheorien rund um Nine-Eleven und der Tod ihres Mannes, ein Kriegsfotograf, der  im Irak eine politische Intrige aufdeckte.

An Irlands Atlantikküste hat Holly sich im Alter als Schriftstellerin zurückgezogen. Als der "Fall Voorman", eine Geschichte aus einem ihrer erfolgreichen Bücher, tatsächlich passiert, Belgien und andere Landstriche einfach von der Bildfläche verschwinden, Öl, Wasser und andere Ressourcen knapp werden, erkennt Holly, dass sie Mittelpunkt einer Fehde ist, die von dunklen Mächten, in abgelegen Winkeln der Erde ausgetragen wird.
Dass die Seelenfresser das Ende der Menschheit bedeuten und sie vielleicht die einzige Waffe der Guten ist...

Herrschaftszeiten, was für ein Buch!

Ganz nach "faustschem Prinzip" werden hier die Seelen verkauft bzw. sich einverleibt! Total abgefahrener, metaphysischer Thriller, an typischen Mitchell-Schauplätzen. Sollte man den "Wolkenaltlas" oder die "Tausend Herbste des Jacob de Zoet" gelesen haben, trifft man alte Bekannte wieder! Wenn nicht, wird man sie spätestens nach den "Knochenuhren" lesen wollen!

Wie kann man nur so gut schreiben? Zum Niederknien!

Lesen!

Unbedingt lesen!

Family Business

"Vater des Regens" Lily King (C.H.Beck) | 26.9.2016
LIly King "Vater des Regens"

Bis zum ersten Drink ist Gardiner Amory ein Mann und Familienvater, wie man ihn sich nur wünschen kann.Ein bisschen stehengeblieben im Patriarchat der fünfziger Jahre zwar aber durchaus gesellschaftsfähig, charmant, gut aussehend und vorzeigbar. Ab 16 Uhr werden dann die ersten Margaritas und Daiquiris gemixt - und die schöne Stimmung ist im Eimer. Amorys andere Seite ist aufbrausend, gewalttätig und unberechenbar. 

Daleys Mutter verlässt den Vater, als Daley elf ist. Genau der richtige Zeitpunkt, um nochmal von vorne anfangen zu können - jedenfalls für Daleys Mutter. Jedes Wochenende darf die Tochter (der Sohn verzichtet dankend) den Vater besuchen. Während die Mutter sich einen neuen Mann ohne hochprozentige Allüren angelt, treibt Amory ein übergriffiges, perfides Spiel mit neuer Frau und seiner Tocher. Gefährlich fixiert in ihrer Liebe zum Vater, fühlt Daley sich viele Jahre hingezogen und verantwortlich für ihn. Seine Exzesse werden schlimmer als auch die zweite Frau ihn verlässt. Der gut aussehende Dandy verwahrlost, vereinsamt und säuft sich fast zu Tode. Daley, mit einer angehenden Professur in Berkeley, ist auf dem Weg in ein neues Leben, als Bruder Garvey anruft und sie bittet, die Betreuung des Vater kurzzeitig zu übernehmen. Daley tappt erneut in die Vaterfalle und alles geht auf Anfang!

Faszinierend und abstoßend zugleich sind die Charaktere, die uns begegnen. Man kann sich ihnen nicht entziehen und hofft und wünscht von Seite zu Seite, dass irgendeiner endlich die Notbremse zieht! Starkes Buch! Und irgendwie so englisch. 

Da lässt sich jeder, noch so tiefe Abgrund, aushalten. 

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Der Mann schläft.

"Schlaflose Nacht" Margriet de Moor (Roman Hanser) | 1.9.2016

"Schlaflose Nacht" Margriet de Moor (Roman Hanser) Eine Frau sucht einen Mann. Nach dem Selbstmord ihres Ehegatten findet sie über Kontaktanzeigen viele, die interessiert sind. Eine Nacht dürfen sie bleiben, dann müssen sie wieder verschwinden. Oder wollen von selbst die Kurve kratzen.

Die Ich-Erzählerin steht nach jedem Liebesspiel auf und backt lieber, für den Rest der Nacht, Kuchen. Bis irgendwann der eine kommt, der bleiben darf. Und die Kuchen am Tag gebacken werden. Durch das Tal von Liebe und Schmerz, Verlust und Trauer geht die Protagonistin mit einer großen Selbstverständlichkeit. In typisch unaufgeregter, fast schon lakonischer de-Moor-Manier, lässt sie uns hinter  Fassaden blicken, eigene Befindlichkeiten und Bedürfnisse erinnern und klar werden, dass alles im Leben seine Zeit braucht.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel... Stimmt!

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Vive la France!

Sylvie Schenk: "Schnell, dein Leben" (Roman Hanser) | 18.8.2016
Sylvie Schenk: "Schnell, dein Leben" (Roman Hanser)

Kurz und knapp wird hier eine Geschichte vom Fremdsein erzählt. Von der Entfremdung. Vom fremd werden und fremd bleiben.

Nachdem Louise die Enge der Familie in den Alpen hinter sich lässt, beginnt ein fremdes, aufregendes Leben im studentischen Milieu, einer französischen Universität. Sie lernt zwei Männer kennen, die sie beide für sich einnehmen. Johann, der Deutsche, sticht den französischen Kontrahenten aus und "entführt" Louise nach Deutschland. Hier mutiert der Verlobte und spätere Ehemann vom französischen savoir vivre zum spießbürgerlichen "Sonntags essen bei Mutti".

Hier küsst man sich nicht, sondern gibt sich nur spröde die Hand, isst kaltes Abendbrot und bleibt auch sonst unterkühlt und unter sich. Und dann ist da noch die Nazivergangenheit von Johanns Vater...

"Fremdsein ist eine Erschütterung des Selbstwertgefühls" (...) Wie wahr! Kann man auf 158 Seiten ein ganzes Leben aufschreiben? Sylvie Schenk kann! Und grade die Auslassungen erzählen das, was man vielleicht lieber unerzählt wissen möchte...

Ich bin beeindruckt!
Unbedingt lesen!


Born to be wild!

Emma Cline: "The Girls" (Roman Hanser) | 3.8.2016

Emma Cline: "The Girls"Kalifornien Ende der sechziger Jahre: Evie ist vierzehn, untergegangen im Rosenkrieg der frisch geschiedenen Eltern und verzweifelt auf der Suche nach Beachtung. Geld ist immer genug da, Langeweile ebenfalls. An einem öden, endlosen Sommertag begegnet Evie ihrem Schicksal: den "Girls", eine Horde junger Mädchen im ausgefransten Hippie-Look, laut und frei und wild. Sie alle scharen sich um  Russel, einen Typen mit Ranch, melancholischem Sexappeal und viel krimineller Energie.

Zügellose Partys, freie Liebe und der Anschein, Teil einer großen, anarchischen Familie zu sein, täuschen Evie über Abhängkeiten, Drogen- und sonstigen Missbrauch hinweg. Wenn die Girls nicht klauen, plündern und andere Deals abziehen, gibt es nichts zu essen, kein Wasser, kein Strom. Bevor Evie den Dreck, die Armut und die Ausbeutung der Girls erkennt, steckt sie selbst tief im geplanten "Charles-Manson-Projekt"...

Wie blöd sind die eigentlich, denkt man immer wieder und doch: diese krasse Parabel über Freiheit und Moral hält einen gefangen. Und schaudernd und atemlos erlebt man den "Untergang des Hauses Usher".

Lesen!


Walk! Don't Walk!

Garth Risk Hallberg:"City on Fire" (S. Fischer) | 28.5.2016
Garth Risk Hallberg: "City on Fire" (S. Fischer)

Vielleicht etwas zu lang, zu dick und hin und wieder zu elaboriert aber wahnsinnig gut!

Unglaublich, was Hallberg uns da um die Ohren haut. Wieder mal New York, wieder mal die Siebziger. Wieder mal was mit Sex and Drugs and... Diesmal eher Punk statt Rock'n Roll - irgendwo zwischen den Stroggs, den Ramones und Patti Smith. Illegale Restaurants in zwielichtigen Ecken der Lower East Side - ohne Toiletten, wo man auf dem Weg zum Pinkeln im Treppenhaus jede Menge Kokain gedealt kriegt. Dekadente Künstler in homo- und heterosexueller Experimentierphase. Musiker aus reichen Dynastien mit abgebrochenen Existenzen und aufgekündigten Familienverhältnissen. Kids, die in einer post-humanistischen Phalanx Gruppierung ihr Heil suchen. Ein gehbehinderter Inspektor, der im Good Cop/Bad Cop-Spiel grundsätzlich unterschätzt wird. Ein österreichischer Galerist, der überall seine Finger im Spiel hat.

Ein afro-amerikanischer Lehrer an einer weißen Mädchenschule, der heimlich am großen Roman schreibt und noch heimlicher mit seinem Liebhaber ein Doppelleben jenseits seiner Familie führt. Abgehalfterte Geschäftsleute der Wall Street, ein Journalist, der mehr trinkt als er schreibt und immer auf der Suche nach der perfekten Geschichte ist, ein gescheiterter, einstmals gefeierter Feuerwerker... Alle suchen und finden, geben und verlieren, kratzen zusammen und verschwenden.

Im guten alten Central Park wird ein Mädchen angeschossen und dieser Vorfall führt all die Leute zusammen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Und dann kommt der Super-Gau! Stromausfall im Big Apple, der melting pot wird zum Fegefeuer... Das war die Blackout-Nacht vom 13. auf den 14.juli 1977, die die Stadt in ein Inferno und einen Ort des Terrors verwandelte.

Und danach ist nichts mehr, wie es vorher war...

Heilig Sch...was für ein Buch! Das reisst einen um und hin und her und weg und macht einen echt fertig! Weil man nicht aufhören kann zu lesen. Weil man völlig süchtig ist oder wird. Weil man Verabredungen absagt, sich krank schreiben lässt oder einfach nicht mehr schläft - keine Ahnung!

Nach Jonathan Lethem und seiner "Festung der Einsamkeit" hat es lange kein so großes "New York-Buch" gegeben. Trotz Jennifer Egan und Rachel Kushner.
Aber jetzt!

Also Leute:
lest dieses Buch!

Auch wenn es etwas zu lang, zu dick und manchmal zu elaboriert ist!