"Don't be afraid - be afraid, be very afraid!"

Hanya Yanagihara: "Ein wenig Leben" (Roman Hanser) | 28.1.2017
Hanya Yanagihara: "Ein wenig Leben" (Roman Hanser)

Und wieder New York! Und wieder eine Freundschaftsgeschichte! Und wieder sind alle interessant, schön, klug, haben wahnsinnig coole Jobs, wohnen in tollen Lofts und unglaublichen Häusern...

Muss man schon wieder so was lesen?
Mein Gott ja, das muss man!

Dieses Buch reißt einem das Herz raus und lässt einen weit über die Schmerzgrenze gehen. So weit, dass man sie kaum aushalten kann: die Geschichte von Jude.

Jude St. Francis, der als Säugling neben einer Mülltonne gefunden, in die Obhut eines Klosters genommen und schon früh von den heiligen Brüdern als Prügelknabe und Sexopfer missbraucht wurde. Dem Kloster und seinem Martyrium entkommen, öffnet das Land des Schmerzes erst richtig seine Pforten. Viele Jahre lebt der Junge ein Leben, dass so wenig ist, so deprimierend und brutal, dass man sich wundert, was ein menschlicher Körper, eine jugendliche Seele, alles aushalten kann.  Als vier Jungs sich, viele Jahre später, an der Universität kennen und schätzen lernen, werden sie schnell zu Brüdern im Geiste, stehen füreinander ein, sind füreinander da und werden sich, mit wenigen Unterbrechungen, ein Leben lang begleiten. Akzeptieren sich, wie sie sind, mit all ihren Unzulänglichkeiten und verrückten Ideen.  Selbst Jude, der klügste und eigenartigste unter ihnen, der niemals ohne lange Arm- und Beinkleider zu sehen ist, von immer wiederkehrenden, schweren Schmerzattacken und Albträumen geplagt wird und nie, nie über sein Leben erzählt, wird von JB, Malcolm und Willem bedingungslos in freundschaftliche Arme geschlossen.  Jeder denkt sich seinen Teil, ahnt Schlimmes (der Leser ebenfalls) und es kommt schlimmer, viel schlimmer...
Auf fast tausend Seiten wird eine Geschichte des Schmerzes erzählt.  Aber auch eine Geschichte der Freundschaft, der Liebe und der Menschlichkeit. Eine Geschichte über das Böse und über das Gute in uns.  Und man lernt  Richard, Harold, Julia und Adam kennen und weiß plötzlich, es gibt sie noch, die große menschliche Güte. Und das ist sehr, sehr tröstlich!  Ein Buch, so gewaltig und grausam, so schön und zutiefst humanistisch.

Das ist das Buch des Jahres 2017 für mich!

Lest dieses Buch!
Unbedingt!


Langsam schnell, schnell langsam!

Christoph Ransmayr: "Cox oder der Lauf der Zeit" (Verlag S. Fischer) | 20.1.2017

Christoph Ransmayr: "Cox oder der Lauf der Zeit" (Verlag S. Fischer)Der englische Uhrmacher und Automatenbauer Alister Cox, wird vom chinesischen Kaiser Quianlong an dessen Hof, in die verbotene Stadt  eingeladen.  Der Kaiser will eine Uhr haben, die das wechselnde Tempo von Zeit und Stillstand anzeigen soll - eine Uhr für die Ewigkeit. 

Mit einem Perpetuum Mobile gelingt es Cox, ein Denkmal für seine verstorbene Tochter zu schaffen und dem Auftrag des Kaisers gerecht zu werden. Quianlong ist begeistert und stellt Cox vor eine neue, gefährliche Aufgabe: eine Uhr, die die Dauer der Ewigkeit messen soll. 

Als der ganze kaiserliche Hof zum Sommeraufenthalt in die Provinz aufbricht, muss auch Cox seine gesamte Werkstatt abbauen und dem Kaiser folgen. Erste Intrigen am Hofe etwickeln sich. Zwei seiner Mitarbeiter werden ermordet und Cox muss erkennen, dass seine Anwesenheit nicht bei allen erwünscht ist. Der Kaiser selbst, ein kluger Denker und versponnener Träumer, eine geheimnisvolle Unbekannte und die Schönheit der Landschaft, stehen immer wieder im krassen Gegensatz zu Folter und Hinrichtungen am Hof und begeistern und verstören Cox gleichermaßen. 

Als sein Dolmetscher ihn warnt, dass eine Uhr für die Ewigkeit eigentlich Frevel gegen den Kaiser bedeutet, da mit dem Tod desjenigen auch das Ende der Welt besiegelt sein muss, wird Allister Cox vor die größte Aufgabe seines Lebens gestellt. Verweigert er den Auftrag, wird er getötet, schafft er ein Zeitmesser, das den Kaiser überlebt, ebenfalls.  Mit großer Klugheit und einem geschickten Trick, schafft Cox ein Meisterwerk, das sowohl den Despoten befriedigt als auch sein Leben rettet... 

Angelehnt an James Cox, den größten Uhren- und Automatenbauer des 18. Jahrhunderts hat Ransmayr ein Abenteuerroman par excellence geschaffen. Eine fremde Welt, fast märchenhaft schön und grausam zugleich, öffnet dem Leser hier ihre Pforten, die "Chinesische Nachtigall" lässt grüßen. Ein philosophischer Roman über das Thema Zeit, für dessen Lektüre man sich unbedingt Zeit nehmen sollte... 

Lesen! 
Unbedingt lesen!


Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd!

J. Ryan Stradl: "Die Geheimnisse der Küche des mittleren Westens" (Diogenes) | 26.11.2016

J. Ryan Stradl: "Die Geheimnisse der Küche des mittleren Westens" (Diogenes)Eva Thorwald, die ungewöhnliche Protagonistin dieses wunderbar schrägen Romans, wird früh vom Leben auf die Probe gestellt. Ihre Mutter, Chefbedienung und verkannte Weinkennerin, beschließt mit dem neuen Sommelier das Weite zu suchen als Eva drei Monate alt ist. Als Erziehungsberechtigte findet sie sich ungeeignet und überlässt dem Vater, einem begnadeten Koch, die weitere Fürsorge. Der möchte Eva am liebsten schon im zarten Alter von drei Monaten mit Coq au Vin und in Trüffelsoße eingelegter Kalbsschulter verwöhnen. Bevor Eva jedoch tatsächlich in den Genuss der Kochkünste des liebenden Feinschmeckervaters kommen kann, gibt der leider selbst "den Löffel ab" als Eva noch kein Jahr alt ist.

Fortan wird das Kind von Onkel und Tante durchs Leben gebracht, die allerdings mehr auf Fastfood und Geschmacksverstärker stehen. Eva, die die Gabe des Vaters noch potenziert, züchtete bereits als Elfjährige ihre ersten Chilis (im Kleiderschrank!), beliefert heimlich die besten Restaurants der Stadt mit ihrer Züchtung und ist auch sonst mit wundersamen, kulinarischen Hobbies gesegnet. Gleichaltrige interessieren sie wenig und beim ersten Rendevous versucht sie, statt zu flirten, die Ingredienzien der servierten Mahlzeit zu erschmecken.

Das ungelenke, eigenartige  Mädchen entwickelt sich zur angesagtesten Köchin in ganz Nordamerika. Ihre Pop-Up-Dinner sind legendär, jahrelange Wartelisten und Höchstpreise eingeschlossen. Dennoch lebt Eva einfach, glücklich und bescheiden in ihrem Mikrokosmos Küche. Mutter Cindy dümpelt auf einem abgehalftertem Weingut, nach geschiedener Sommelier-Ehe dahin und beschließt irgendwann, das letzte Geld zusammenzukratzen und Tochter Eva ihre Aufwartung zu machen...

Wer dieses Buch nicht liest, ist selber schuld! Da will man am Ende nur noch lecker essen, guten Wein trinken und das Leben genießen.

Gute Laune garantiert!
Lesen!
Unbedingt lesen!


Don Quijote und Dulcinea im zwanzigsten Jahrhundert!

Juan Gómez Bárcena: "Der Himmel von Lima" (Verlag Secession) | 21.10.2016

Juan Gómez Bárcena: "Der Himmel von Lima" (Verlag Secession)Zwei junge Möchtegern-Dichter, die alles sind aber keine Literaten, erschummeln sich die Gunst des verehrten, späteren Nobelpreisträgers Juan Ramón Jiménez.  Eine ausgedachte Muse soll einen Briefwechsel zwischen den beiden Freunden und dem großen Meister befeuern und somit Gedichte und echte literarische Vorlagen für ein großes Romanvorhaben der beiden liefern.  Dumm nur, dass die Muse Georgina schnell eine eigenständige Person wird, die den beiden jungen "Dichtern" wechselweise entgleitet und über den Kopf wächst.  

Mehr und mehr entzweien sich die Freunde. Unstimmigkeiten über die Entwicklung der stets abwesenden Hauptprotagonistin, gesellschaftliche Umbrüche, exzessiver Opiumgebrauch und der Unterschied zwischen altem und neuem Geld, stellen die Freundschaft immer wieder auf harte Proben.  Und dann kommt Meister Jiménez mit einem Wunsch, den die beiden Betrüger nicht abschlagen können...

Was für ein Schelmenstreich ist dieser Entwicklungsroman zwischen Komödie und Tragödie.  Ein Roman über die Kraft der Liebe und ein Sittengemälde Perus Anfang des 20. Jahrhunderts.  Das Patriarchat der Oberschicht wird von einem der "jungen Wilden", der sich selber dessen gesellschaftlichen Fesseln nicht entziehen kann, ad absurdum geführt und schließlich demontiert.  Die Macht und Kraft der Literatur ist kein Allheilmittel gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, dennoch war sie schon immer das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und ohne die Literatur wäre alles nichts!  

Lesen!  
Unbedingt lesen!


Zwischen Namedropping und Sinnsuche.

Mathias Enard: "Kompass" (Verlag Hanser) | 16.10.2016
Franz Ritter ist Musikwissenschaftler, Sarah Orientalistin. Wesentlich jünger und besessen, von Istanbul bis Aleppo, nimmt Sarah Franz, der von Sarah besessen ist, mit auf Forschungsreise. Was für ein Schatzkästlein sich ihm dadurch öffnet, wie groß der kulturelle Einfluss des Abendlandes auf die westlichen Kulturen war, wie verklärt der Okzident noch immer auf den Orient schaut, erinnert er sich später, in einer schlaflosen Nacht. Und geht noch einmal auf Reisen....

Städte, die uns heute nur noch unter Beschuss, im Dauerkrieg zerstört und als große Massengräber präsentiert werden, lässt Enard erneut aufleben, nimmt den Leser mit in ferne, geheimnisvolle, wunderschöne Länder. Acht Jahre hat der Autor für dieses Buch geforscht und recherchiert. Dementsprechend lang sind die Listen und Erwähnungen bekannter Orientalisten, Musikwissenschaftler und Literaten. Von Adorno über Kafka, Magris und Stefan Zweig (und gefühlte hundert Namen mehr) hat der Orient die Literatur beeinflusst. Von Kunst und Musik ganz zu schweigen!

Die meisten Namen kennt man (vielleicht) nicht, viele Zusammenhänge erschließen sich einem dadurch oft schwer oder gar nicht. Das muss man aushalten können und tapfer überlesen oder selber recherchieren. Und überhaupt verlangt uns Mathias Enard (Prix Goncourt 2015!) einiges ab! Das muss man wollen! Da kann man sich intellektuell mal richtig schön abarbeiten! Aber wenn man sich drauf einlässt, wird man reich beschenkt!

Mit einer charmanten Liebesgeschichte, einer großen Sinnsuche, dem immer währenden Kampf der Kulturen und wunderbaren Reisen, quer durch ehemals blühenden Landschaften des Morgenlandes!

Diese Buch liest man mindestens zweimal!
Lesen!
Unbedingt!


Gestatten: bin Laden.

"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes) | 6.10.2016
"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes)Ein Spezialteam, angewiesen mit "kill or capture" und dem Codewort "Geronimo", lässt 2011 die Welt den Atem anhalten, als der schlimmste Feind des amerikanischen Imperiums und der Welt, das Zeitliche segnet. Hat er wirklich? Wie bei allen Verschwörungstheorien, gibt es Zweifler, Zeugen und angeblich sogar handfeste Beweise, dass Osama, gut versteckt und reichlich kostümiert in Lederkluft und dunkler Sonnenbrille, mit einem Motorrad durch die Nächte brettert.

Etwas hanebüchen? Zugegeben! Aber waghalsig ausgedacht und spannend zu einem Plot gebastelt, der sich lesen lässt. Tom Johnson, ex-CIA Mitglied, kommt der heimlichen Hintergrundgeschichte von Osama bin Laden auf die Spur.  Nahezu sympathisch erscheint einem dieser verrückte Massenmörder, bar jeder Macht und Verantwortung. Fast rührend, wie er sich um seine zwei Lieblingsfrauen und Kinder sorgt. Eine kleinen Bettlerin, die durch sein Regime Hände und Ohren verloren hat, vor dem Hungertod bewahrt. Am Ende muss natürlich auch Osama dann doch dran glauben - wär ja noch schöner!

Und vorher erfährt man soviel über die großen Weltreligionen und ihre Auswüchse, wie es eben nur Leon de Winter, auf die Schnelle und leicht lesbar zu erzählen vermag. "So was kommt von so was" und nichts geschieht ohne Grund. Wo und wann und wie hat das eigentlich alles, verdammt nochmal, angefangen? Wie verhalten wir uns zu Politik, Religion und dem humanistischen Grundgedanken (grade jetzt!)? Ja, da stellt man sich ein paar unangenehme Fragen, die man vielleicht nicht so richtig beantworten kann! Kann Leon de Winter natürlich auch nicht. Dafür erfährt man aber, warum die Goldberg-Variationen "Goldberg-Variationen" heißen, Glenn Gould ihr bester Interpret ist und warum grade diese Komposition von Al-Quaida so verteufelt wurde. Man erfährt, wie wichtig ein alter Holzschemel sein kann, und dass es manchmal besser ist, einige Dinge zu lassen, wie und wo sie sind. Und dass Geld und die Gier danach, den Charakter versaut!

Johnsons Leben, seine Ehe - alles geht den Bach runter. Den Tod seiner kleinen Tochter konnte er nicht verhindern, die CIA hat ihn nicht grade ehrenhaft verabschiedet, die Frau ihn verlassen und längst mit einem neuen Mann eine neue Familie gegründet. Perspektivisch gesehen alles ziemlich düster für unseren Steppenwolf. Doch am Ende findet er die Möglichkeit etwas gutzumachen und ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen. Und so hat das ganze dann doch einen Sinn gehabt!
Beste Unterhaltung!

Äußerst spannend und gut recherchiert!
Lesen!

Engel des Todes - eine Lebensbeichte.

"Am Rand" Hans Platzgumer (Verlag Zsolnay) | 5.10.2016
"Am Rand" Hans Platzgumer (Verlag Zsolnay)

Vinchgau ein Dorf in Westösterreich. Jugoslawische Banden und Kleinkriminelle aus Anatolien tyrannisieren die triste Siedlung, in der Gerold zu Hause ist. Die Mutter Prostituierte, der Vater unbekannt. Mit diesem Stammbaum ist man entweder verloren oder tritt einem Karateverein bei.

Gerold, dem der Kampfsport nicht nur Kraft und Ansehen verleiht, ist ansonsten ein stiller, nachdenklicher Junge. Zu dritt träumen sich die Freunde auf Kränen, baufälligen Brücken und gefährlichen Felsvorsprüngen weg vom einfachen Leben, voller Entbehrungen. Typische Adoleszenzgeschichten zwischen Heranwachsenden, wenig beaufsichtigten Halbstarken tragen sich zu.

Gerold beginnt den ersten Mord am todkranken tyrannischen Großvater, der "nach Hause" zurückgekehrt ist, um sich von Tochter und Enkel den Lebensabend erleichtern zu lassen. Früher Missbrauch und ständiges Drangsalieren der Tochter, Gerolds Mutter, ist für den Jungen Grund genug dem Wiedersacher den Garaus zu machen. Der zweite "Mord" ist eher eine Sterbehilfe, die Gerold viel später, einem schwer verletzten Freund erweist. Als ihm selbst das Leben zu gelingen scheint und er ein Art Glück und Zufriedenheit erlebt, klopft der Tod erneut an seine Tür. Und lässt Gerolds Leben aus den Fugen geraten. Nun steht er am höchsten Punkt des Bocksbergs und es fehlt nur noch ein konsequenter, letzter Schritt...

Harter Tobak in höchst literarischer Form. Wer Robert Seethaler "Ein ganzes Leben" gern gelesen hat, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen! Ganz schlicht und klar wird hier über eine Ungeheuerlichkeit berichtet, dass es einen umhaut! Was für eine schöne Sprache, kein Wort zu viel!
Lesen!
Unbedingt lesen!


Im Labyrinth!

"Die Knochenuhren" David Mitchell (Rowohlt) | 26.9.2016
David Mitchell "Die Knochenuhren"

Als Holly Sykes 1984 nach einer seltsamen Begegnung mit einer alten Lady von zu Hause abhaut, ahnt sie nichts von einer zweiten Nabelschnur, und dass ihr Körper Hüterin einer alten Seele ist. Unscheinbar, vorsichtig und eher freudlos, verbringt Holly ihre Jugend an verschiedensten Orten der Welt. Immer unter Beobachtung und immer auf der Hut. Vor den "Radiomenschen", Stimmen, die nur für sie zu hören sind. Vor nächtlichen Besuchern, die sich plötzlich materialisieren und genauso plötzlich wieder verschwinden. Vor Zeitlöchern, Vorahnungen und kurzen Aussetzern, in denen sie in Zungen spricht.

Als sie D'Arnog kennenlernt, der absurderweise behauptet 1897 geboren worden zu sein, und das erste Mal von den Anachoreten erfährt, passen pötzlich immer mehr Puzzleteile zusammen. Unfälle, die sie vorrausgesehen hat, ihr vor vielen Jahren, auf mysteriöse Weise, verschwundener kleiner Bruder. Gedichte über Apex-Räuber und Seelenfresser.
Nachrichten über Labyrinthe und Horologen. Verschwörungstheorien rund um Nine-Eleven und der Tod ihres Mannes, ein Kriegsfotograf, der  im Irak eine politische Intrige aufdeckte.

An Irlands Atlantikküste hat Holly sich im Alter als Schriftstellerin zurückgezogen. Als der "Fall Voorman", eine Geschichte aus einem ihrer erfolgreichen Bücher, tatsächlich passiert, Belgien und andere Landstriche einfach von der Bildfläche verschwinden, Öl, Wasser und andere Ressourcen knapp werden, erkennt Holly, dass sie Mittelpunkt einer Fehde ist, die von dunklen Mächten, in abgelegen Winkeln der Erde ausgetragen wird.
Dass die Seelenfresser das Ende der Menschheit bedeuten und sie vielleicht die einzige Waffe der Guten ist...

Herrschaftszeiten, was für ein Buch!

Ganz nach "faustschem Prinzip" werden hier die Seelen verkauft bzw. sich einverleibt! Total abgefahrener, metaphysischer Thriller, an typischen Mitchell-Schauplätzen. Sollte man den "Wolkenaltlas" oder die "Tausend Herbste des Jacob de Zoet" gelesen haben, trifft man alte Bekannte wieder! Wenn nicht, wird man sie spätestens nach den "Knochenuhren" lesen wollen!

Wie kann man nur so gut schreiben? Zum Niederknien!

Lesen!

Unbedingt lesen!

Family Business

"Vater des Regens" Lily King (C.H.Beck) | 26.9.2016
LIly King "Vater des Regens"

Bis zum ersten Drink ist Gardiner Amory ein Mann und Familienvater, wie man ihn sich nur wünschen kann.Ein bisschen stehengeblieben im Patriarchat der fünfziger Jahre zwar aber durchaus gesellschaftsfähig, charmant, gut aussehend und vorzeigbar. Ab 16 Uhr werden dann die ersten Margaritas und Daiquiris gemixt - und die schöne Stimmung ist im Eimer. Amorys andere Seite ist aufbrausend, gewalttätig und unberechenbar. 

Daleys Mutter verlässt den Vater, als Daley elf ist. Genau der richtige Zeitpunkt, um nochmal von vorne anfangen zu können - jedenfalls für Daleys Mutter. Jedes Wochenende darf die Tochter (der Sohn verzichtet dankend) den Vater besuchen. Während die Mutter sich einen neuen Mann ohne hochprozentige Allüren angelt, treibt Amory ein übergriffiges, perfides Spiel mit neuer Frau und seiner Tocher. Gefährlich fixiert in ihrer Liebe zum Vater, fühlt Daley sich viele Jahre hingezogen und verantwortlich für ihn. Seine Exzesse werden schlimmer als auch die zweite Frau ihn verlässt. Der gut aussehende Dandy verwahrlost, vereinsamt und säuft sich fast zu Tode. Daley, mit einer angehenden Professur in Berkeley, ist auf dem Weg in ein neues Leben, als Bruder Garvey anruft und sie bittet, die Betreuung des Vater kurzzeitig zu übernehmen. Daley tappt erneut in die Vaterfalle und alles geht auf Anfang!

Faszinierend und abstoßend zugleich sind die Charaktere, die uns begegnen. Man kann sich ihnen nicht entziehen und hofft und wünscht von Seite zu Seite, dass irgendeiner endlich die Notbremse zieht! Starkes Buch! Und irgendwie so englisch. 

Da lässt sich jeder, noch so tiefe Abgrund, aushalten. 

Lesen!


Der Mann schläft.

"Schlaflose Nacht" Margriet de Moor (Roman Hanser) | 1.9.2016

"Schlaflose Nacht" Margriet de Moor (Roman Hanser) Eine Frau sucht einen Mann. Nach dem Selbstmord ihres Ehegatten findet sie über Kontaktanzeigen viele, die interessiert sind. Eine Nacht dürfen sie bleiben, dann müssen sie wieder verschwinden. Oder wollen von selbst die Kurve kratzen.

Die Ich-Erzählerin steht nach jedem Liebesspiel auf und backt lieber, für den Rest der Nacht, Kuchen. Bis irgendwann der eine kommt, der bleiben darf. Und die Kuchen am Tag gebacken werden. Durch das Tal von Liebe und Schmerz, Verlust und Trauer geht die Protagonistin mit einer großen Selbstverständlichkeit. In typisch unaufgeregter, fast schon lakonischer de-Moor-Manier, lässt sie uns hinter  Fassaden blicken, eigene Befindlichkeiten und Bedürfnisse erinnern und klar werden, dass alles im Leben seine Zeit braucht.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel... Stimmt!

Lesen!