Und immer kommt einem das Leben dazwischen.

Jonas Hassen Khemiri: "Die Schwestern" ( Verlag Rowohlt) | 10.8.2025
Bevor Jonas (tunesischer Schwede und vielleicht Alter Ego des Autors) sein erstes Buch rausbringt, muss das, was es zu erzählen gibt, erstmal erlebt werden. Die Mikkola-Schwestern, ebenfalls-tunesisch schwedisch oder schwedisch tunesisch (wer kann das schon so genau sagen) haben es Jonas angetan und beschäftigen ihn ein ganzes Leben lang. Evelyn,umgeben von einem geheimen Kraftfeld, Anastasia, die an Flüche glaubt, perfekte Korbleger beherrscht und Ina, die Vernünftige, die nur das glaubt, was messbar ist. Selima, die Mikkola-Mutter, glänzt durch Abwesenheit (nur dann kann sie ihre Töchter von ganzem Herzen lieben) stöckelt durch die Lande um Hoover Staubsauger und gefakte "handgeknüpfte" Teppiche zu verkaufen und überlässt die Mädchen früh sich selbst.  Auch Jonas Vater verschwindet irgendwann sang- und klanglos nach Tunesien und überlässt Frau und Söhne dem schwedischen Sozialsystem. Aber so schnell lässt sich hier keiner unterkriegen. Auf höchst amüsante Weise kämpfen sich vier junge Leute, die sich weder richtig schwedisch, noch (eigentlich überhaupt nicht) arabisch fühlen, durch ein Leben voller Vorurteile, Unsicherheiten und Stolpersteine. Jagen Wünschen und Sehnsüchten hinterher, die sich im Stockholm der Neunziger Jahre nur schwer erfüllen lassen. Auf der Suche nach Herkunft, Heimat und dem Sinn des Lebens, kreuzen sich, zwischen Berlin, Tunis und New York immer wieder ihre Wege. Sie treffen oder verpassen sich, sind glücklich oder hadern mit ihrem Schicksal, scheitern oder reüssieren, sind ganz oben oder ganz unten... Vor allem aber geben sie niemals auf!
Was für ein Meisterwerk! Zwischen Johan Harstad "Max, Mischa & die Tet- Offensive" und den "Korrekturen" von Jonathan Franzen, findet man hier alles, was gute Literatur ausmacht. Auf 729 Seiten (und da ist keine Seite zu viel!) werden literarische Feuerwerke gezündet, Cliffhanger angelegt (die zum immer weiterlesen zwingen) und die großen Fragen des Lebens verhandelt. Es wird nie, wirklich nie, langweilig. Man fliegt durch dieses Buch, will eigentlich immer in der Nähe von Jonas und den Schwestern sein und ist am Ende, dass weit in der Zukunft liegt, gerührt, beseelt und mit allem einverstanden.
Grandios übersetzt von Ursel Allenstein!
Lesen!
Unbedingt lesen!