Phil Klay: " Den Sturm ernten" (Verlag Sugrkamp) | 29.11.2021
Während Abels Eltern und nahezu das ganze Dorf von FARC- Rebellen ausgelöscht werden, schließt der Junge sich den Paramilitärs an. Die einzige Möglichkeit zu überleben. Viele Jahre später versucht Abel auszusteigen. Der Friedensvertrag zwischen den Rebellen und der Regierung schafft ein Programm zur Resozialisation der Drogenrebellen. Abel will helfen einen der grössten Drogenbosse dingfest zu machen und gerät doch immer wieder zwischen die Fronten. Längst gibt es so viele gewalttätige Untergruppen und Abspaltungen, dass die Grenze zwischen Gut und Böse fließend und nicht mehr verhandelbar ist. In Kolumbiens Dschungel herrscht Gewalt, Korruption und eine bittere Armut. Die Bauern kämpfen täglich ums Überleben. Während die Amerikaner Kolumbien "technisch" unterstützen, in Afghanistan Krieg gegen die Taliban führen, versuchen drei Männer mit Kriegserfahrung und eine junge Journalistin den gordischen Knoten Kolumbiens zu lösen. Schnell wird klar, dass alles mit allem zusammenhängt und im "neuen Kolumbien" kein Messias gebraucht wird. Zwischen Kokabauern, der Regierung, Narcos, Guerilla, Mil Jesúses und verschiedene Paramilitärs zu vermitteln bedarf großen Mut, eine Portion Wahnsinn und viel Fingerspitzengefühl. Aber war es richtig, dass Amerika sich derart eingemischt hat? Wie funktioniert die globale Kriegsführung? Wie effizient ist sie wirklich und wie überschaubar? Was macht andauernde Gewalt mit denen die sie erfahren und denen, die sie ausüben?
Ein irres Buch über den US-amerikanischen Krieg, fatale Entscheidungen und der Gier nach Macht.
Erschütternd und wahnsinng spannend.
Nichts für schwache Nerven und zarte Seelen!
Lesen!
Unbedingt lesen!
Una Mannion:"Licht zwischen den Bäumen" (Roman Steidl) | 8.11.2021
Während eines heftigen Streits mit ihrer Mutter, wird die zwölfjährige Ellen kurzerhand aus dem Auto befördert. Viele Kilometer vom "Berg" entfernt. Ihrem Wohngebiet direkt am Wald - exponiert, dünn besiedelt und wo jeder jeden kennt. Als Ellen beschließt nach Hause zu trampen, dem "Barbie-Mann" in die Hände fällt, ihr Geheimnis nur mit der älteren Schwester und besten Freundin teilt, nimmt ein fatale Entwicklung ihren Lauf. Erstmal geht das Leben einfach weiter.
Die Mutter alleinerziehend und chronisch überfordert bemerkt die Veränderung ihrer Kinder kaum. Die Geschwister erziehen sich ohnehin gegenseitig, kümmern sich um- und verlassen sich aufeinander. Setzen auf Feunde und Nachbarn. Und werden erwachsen. Es wird geraucht, getrunken und geknutscht. Lagerfeuer gemacht, Gras geraucht und Vermutungen angestellt über das was Erwachsene sonst noch so tun. Und nicht nur Ellen hat ein Geheimnis. Der Vater ihrer besten Freundin trifft sich mit einer Frau, die nicht seine ist. Sagt man das oder behält es für sich? Ist es fair der Freundin den Vater zu nehmen nur weil man selbst keinen mehr hat? Und was ist wirklich an den Geschichten über die "halbstarken Boyz n the Hood" dran? Wer ist Freund und wer ist Feind? Wem kann man trauen? Wie schwierig es ist erwachsen zu werden und es zu sein bringen die fünf Geschwister, deren Freunde und Eltern genau auf den Punkt. Wie wichtig die richtigen Freunde, wie schwer sie zu finden sind und dass nicht immer auf Bauchgefühl und "sympathisches Nervensystem" zu wetten ist. Familie kann man sich nicht aussuchen und ist selten verhandelbar. Man hat sie am Hals ob man will oder nicht. Und manchmal vermisst man die, die es einem am schwersten gemacht haben. Ob der "Barbie-Mann" seine gerechte Strafe bekommt oder nicht und wer dafür sorgt, dass die Welt am Ende wieder in Ordnung ist, macht diesen Entwicklungsroman zu einem Krimi und absoluten Pageturner.
Ein ganz großes Debut! Das haut richtig rein. Aus dem Englischen(!) - also nix mit patriotischer Schönfärberei!
Hammer!
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Unbedingt Lesen!
Tarjei Vesaas: "Das Eis-Schloss" (Guggolz Verlag) | 3.11.2021

Während das Waisenkind Unn und die nachdenkliche Siss sich anfreunden, versenkt sich Norwegens strenger Winter in die Dunkelheit. Die beiden Mädchen nehmen lange Wege auf sich, lassen sich von der klirrenden Kälte beißen, fürchten weder abgefrorenen Nasen noch unheilvolle Eislurme, um sich zu treffen. Gleich wird klar wie ähnlich sich beide Kinder sind. Sie fühlen sich stark zueinander hingezogen, spüren ein gemeinsames Leuchten und eine große Vertrautheit. Doch bevor Unn ihr schreckliches Geheimnis mit Siss teilen kann, verschwindet sie spurlos. Das Eis-Schloss (ein gefrorener Wasserfall) hat seine Königin eingeladen und wird sie vor dem nächsten Frühjahr nicht mehr gehen lassen. Siss fällt in tiefe Traurigkeit und schnell wird klar, wie Unn sie und nahezu die ganze Gemeinde verändert hat.
Erstaunlich wie ruhig und nachdrücklich sich die wenigen Menschen, die dort in dieser eisigen, bizarren Landschaft leben zusammenhalten, Siss begleiten und sie am Ende zurückgewinnen.
In kurzen klaren Sätzen und klirrenden Worten nimmt Tarjei Vesaas uns mit in eine längst vergangene Zeit. Ohne Einflüsse von außen, kalt, dunkel und in tiefster Abgeschiedenheit lässt Vesaas sich den Mensch auf das Wichtigste reduzieren. Seine Mitmenschlichkeit.
Was für ein beeindruckender Autor! Was für eine Übersetzung! Was für ein Buch!
Eine Perle, eine leuchtende Eisblume - ein großer Schatz!
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Unbedingt lesen!
Jonathan Franzen: "Crossroads" (Rowohlt) | 20.10.2021
Ein guter Mensch zu sein ist nicht immer einfach. Selbst wenn man erleuchtet, bekehrt und im Dienste Gottes steht. Das erfahren schmerzlich der evangelische Pastor Russ auf Abwegen, seine Frau Marion auf Kriegspfad und seine vier Kinder, die auf der Suche nach sich selbst alle mehr oder weniger die falsche Abzweigung nehmen. Während der hochbegabte Sohn mit Drogen dealt, die aufmüpfige Tocher das erste mal verliebt ist, träumt der kleinste Spross vom besseren Leben und der größte bekennt sich aus reiner Provokation zu Vietnam. Die 1970er Jahre verbreiten ihren unwiderstehlichen Sound, Frauen legen ihre BHs ab und emanzipieren sich, Männer lassen sich die Haare wachsen, verweigern den Kriegsdienst. Alle reden von Freiheit und Selbstbestimmung. Pfarrer Russ versucht seine Gemeinde in der Kirche zusammenzuhalten, scheitert aber an den neuen Jugendbewegungen. Seine Familie, an den Rändern längst aufgelöst, gibt ihm weder Halt noch Zuversicht und wird durch sein Begehren einer jungen Witwe aus der Gemeinde zum Wendekreis des Krebses. Die Turbulenzen die Chicago teilweise lahmlegen, wirbeln auch das geordnete Leben der Hildebrandts gehörig durcheinander und stellen pastorale Vorsätze, Nächstenliebe und Uneigennützigkeit auf eine harte Probe. Jeder will ein besserer Mensch sein oder werden. Aber nur wenn es selbst nicht weh tut!
Der erste Teil dieser Trilogie führt uns durch einen Tag tiefster Zerrissenheit einer liberalen Vorstadtfamilie. Da wir ständig vor- und zurück getrieben, einzelne Familiemitglieder genau gescannt werden und keine Leiche im Keller verborgen bleibt, reiten wir mit den Hildebrandts jede Welle des familiären Wahnsinns ab.
Irres Buch. Ein Kosmos der Lügen und Geheimnisse, den man so schnell nicht verlassen möchte.
Je tiefer man eintaucht um so stärker wird der Sog - man kann sich dem kaum entziehen.
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Unbedingt lesen!
Doris Knecht: "Die Nachricht" (Hanser Berlin) | 25.9.2021

Während Ruth sich nach dem Tod ihres Mannes Ludwig gut im einsamen Haus auf dem Land eingerichtet hat, kommt Sohn Benni schwer damit zurecht. Seine Trauer, Verlorenheit und sein Zorn richten sich gegen seine Mutter, die versucht ihre Leben neu zu sortieren. Während der Therapeut Simon Brunner Bennis Trauerprozess begleitet und den Jungen wieder auf Kurs bringt, wird Ruth von merkwürdigen Nachrichen heimgesucht. Beruflich ist sie durchaus gewöhnt der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, nicht aber im privaten. Mehr und mehr kursieren Mails über sie bei Kollegen und Freunden, bei Familienmitgliedern. Was zuerst nur nach Mobbing aussieht wird zunehmend gefährlicher. Lauter krudes Zeug, bösartige Halbwahrheiten, falsche Unterstellungen und krasse Beleidigungen gehen auf öffentlichen Kanälen viral.
Wer könnte ein Interesse an Ruths Demontage haben? Simon, der Benni mittlerweile an einen Kollegen überwiesen hat und in ständigem On-Off- Modus mit Ruth verkehrt? Die Affäre ihres Mannes, die noch immer nicht über Ludwigs Tod hinweggekommen ist? Benni oder ihre Stieftochter? Die beste Freundin? Der Nachbar, der vielleicht doch scharf auf ihr Grundstück ist? Die Mails werden immer bedrohlicher und plötzlich wird die friedliche Einsamkeit zum Albtraum und auch die Wiener Stadtwohnung bietet ihr keinen Schutz mehr vor einer unsichtbaren Bedrohung...
Super spannend und sehr wahrhaftig! Geht ganz schnell, dass ein Objekt der Begierde am Pranger landet und so richtig durch den Internet-Kakao gezogen wird. Und man kann nichts dagegen tun, außer ein sehr dickes Fell entwickeln. Und hoffen, dass es irgendwann aufhört.
Großartige Unterhaltung! Sprachlich klasse, wie immer bei Doris Knecht.
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Unbedingt lesen!
Daniela Krien: "Der Brand" (Diogenes Verlag) | 17.9.2021
Was macht man, wenn die Liebe nach langer Ehe abhanden gekommen ist, der alljährliche Aktivurlaub ins Wasser bzw. Feuer fällt und die Alternative eine Auszeit ohne große Ablenkung auf einem maroden Bauernhof sein soll? Augen zu und durch und die Gelegenheit der Zweisamkeit beim Schopf packen! Nach dreißig Ehejahren hat Peter keine Lust mehr auf Sex, flüchtet sich in seine Bücher, fühlt sich unverstanden - von seinen StudentInnen, seiner Frau, den erwachsenen Kindern...Rahel liebt und achtet ihren Mann und hätte gerne noch etwas mehr als geistreiche Gespräche und gemeinsame Spaziergänge. Während die beiden ein ehemaliges Aussteigerdomizil in Brandenburg hüten, Peter den altersschwachen, fluglahmen Tieren näher ist als seiner Frau, versucht Rahel etwas Boden gutzumachen, herauszufinden wo sie als Paar stehen und was noch geblieben ist. Als sich Tochter Selma mit den Enkelkindern aufdrängt, die lieber unter als am Tisch essen und auch sonst ziemlich anstrengend sind merken Peter und Rahel, dass sie durchaus noch gut an einem Strick ziehen können. Während die Tochter den Eltern ihre Eheprobleme überstülpt, kommen bei ihnen endlich verdrängte Gefühle, verletzte Eitelkeiten, unausgesprochene Sehnsüchte und der Wunsch nach Veränderung hoch. Und am Ende hält nicht nur ein neues Rollenverständnis Einzug in ihre Ehe sondern auch die Liebe...
Wer schon früh Kinder bekommen hat, mit 50 nicht mehr wirklich jung ist sich aber auch noch nicht alt fühlt, wird jubeln über diese unaufgeregte, wahrhaftige Bestandsaufnahme. Kinder aufziehen, arbeiten und eine gelungenen Partnerschaft zu führen ist eine große Kunst, erfordert den ein oder anderen Spagat. Und gelingt nicht immer! Schön, dass hier am Ende mal alles gut wird, niemand zu Schaden kommt und das Leben einfach weitergeht - nur etwas aufgeräumter.
Tolles Buch!
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Unbedingt lesen!
Johanna Adorján: "Ciao" (Kiepenheuer&Witsch) | 14.9.2021

Was macht der alte weiße Mann wenn er merkt, dass er alt ist? Muss man bzw. frau sich im Praktikum noch immer nach oben schlafen? Ist es besser, sich mit den ehelichen Fehltritten des alternden Gatten zu arrangieren oder ihn zu verlassen? Wie peinlich dürfen Väter sein?
Die Talkshow "Ois Bonanza" hat ihre besten Zeiten längst hinter sich und soll durch einen Auftritt der jungen Influencerin Xandi Lochner ihren Dinosaurierstatus verlieren. Dass das gründlich schief geht, dem Talkmaster und dem Sender um die Ohren fliegt, kann man sich gut vorstellen. Im Nachgang will dann auch noch Hans Benedek, ein ehemals gefragter und einflußreicher Feuilletonist, ein Porträt über die angesagteste, wilde Feministin verfassen. Selbstgefällig, eitel und völlig aus der Zeit gefallen, läuft Hans in Xandi Lochners rethorische Messer und wird zerlegt und demontiert, dass es nur so kracht. Der Respekt ist dahin sein Einfluß löst sich in (weißen) Rauch auf und und die neue Redakteurin verweist ihn und einige andere Faktoten freundlich aber bestimmt auf ihre Plätze...
Herrlich! Komisch, schmerzhaft und ein bisschen traurig manchmal. Männer sind auch Menschen, je älter sie werden (und je jünger sie sein wollen) umso schwieriger wird es für diese arme bemitleidenswerte Spezies. Willkommen im Club!
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Unbedingt lesen!
Audur Ava Ólafsdottir: "Miss Island" (Verlag Insel) | 4.9.2021

Während die Beatles ganz Europa auf den Kopf stellen, scheint in Island die Welt rückläufig zu sein. Eine traditionelle, männerdominierte Gesellschaft verbietet Frauen so ziemlich alles ohne deren Zustimmung. Vor allem selbstständiges Denken oder gar weibliche Literatur ist verpönt. Hekla, eine sehr schöne und äußerst kluge junge Frau, will vieles aber nicht "Miss Island" werden. Immer wieder drängt man ihr eine Bewerbung mit "Erfolgsgarantie" auf. Doch Hekla hat andere Pläne, die sie stur und voller Selbstvertrauen verwirklicht. Jón John, Heklas bester Freund ist schwul und träumt von einer Karriere als Kostümbildner. Mit seiner Nähmaschine flüchtet er nach Reykjavík um dort sein Glück zu finden. Nicht lange und Hekla packt ihre Remington-Schreibmaschine ein und folgt dem Jugendfreund.
Bald müssen beide feststellen, dass auch in der Hauptstadt Einschränkungen und konservative Werte dominieren. Während Jón John ob seiner sexuellen Orientierung immer wieder gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt ist, mehr schlecht als recht seinen Unterhalt verdienen kann und selbst heimliche Liebschaften nahezu unmöglich sind, kann Hekla ihre Literatur nur unter männlichem Pseudonym verfassen. Es dauert lange bis die Gefährten erkennen, dass die Freiheit nicht gerade in Island erfunden wurde. Um ihre Träume leben zu können, müssen sich die beiden am Ende auf einen langen Weg machen...
Unglaublich, dass Island so tradiert und fast schon frauenfeindlich war. Wer diese Insel kennt und nur einmal eine Nacht in Reykjavík verbracht hat, kann sich kaum vorstellen, dass so eine pulsierende Stadt dermaßen rückständig war.
Tolles Buch (obwohl mich das Ende sehr geärgert hat)!
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Unbedingt lesen!
Hervé Le Tellier: "Die Anomalie" (Verlag Rowohlt) | 30.8.2021

Während eine Boeing 787 im Juni 2021 von Paris nach New York fliegt und in einen Cumulonimbus gerät, geschieht etwas Ungeheuerliches! Der elektomagnetische Wirbelsturm entlässt die Maschine zwar nahezu unbeschädigt aus seinen Fängen, doch wird Kapitän David Markle die Landeerlaubnis verweigert. Umgeleitet und unter größten Sicherheitsvorkehrungen, werden Personal und Passagiere auf einem militärischen Stützpunkt unter größter Geheimhaltung "zwischengelagert". Denn: wo soll man mit Menschen und Flugzeugen hin, die vor 110 Tagen bereits -identisch bis zum kleinsten Ketchup-Fleck- gelandet sind? Wie erklärt man Passagieren, Personal und dem Flugkapitän, dass sie bereits eingereist sind? Zudem einer nicht mehr am Leben ist, einer im Sterben liegt und einer die größte Chance seines Lebens versemmelt hat. Ein Auftragskiller,eine schwarze, aufstrebende Juristin, ein Popstar , ein verkannter Autor und ein Architekt mit seiner Geliebten, die eigentlich schon seine Ex ist, stehen sich plötzlich selbst gegenüber. Kann man sein Leben korrigieren? Kann man nochmal von vorne beginnen obwohl das Ding eigentlich schon gelaufen ist? Wird man klug, aus dem was man verbockt hat und vielleicht sogar ein besserer Mensch?
Oder ist alles vorbestimmt und man macht die gleichen Fehler immer wieder? Und vor allem: wie lebt man mit sich selbst?
Das und vieles mehr fragt man sich bei diesem Meisterwerk, ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt 2020! Was für ein Schelmenstreich, was für ein Spaß! Ein bisschen wie betrunken sein, im Theater sitzen und gleichzeitig den spannendsten Thriller im Kino zu sehen. Luft anhalten, eintauchen und ab dafür!
Was für ein Buch! Was für ein verrücktes Abenteuer! Was für ein irre Geschichte!
Lesen!
Unbedingt lesen!
Louise Erdrich:"Der Nachtwächter" (Aufbau Verlag) | 17.8.2021

Um wach zu bleiben, verfasst Nachtwächter Thomas Briefe und Eingaben an die Regierung gegen die erneute Enteignung der amerikanischen Ureinwohner. Ein "Emanzipationsgesetz" soll ihnen das letzte bisschen Land das Ihnen noch geblieben ist, unter dem Hintern "wegverabschieden". Doch da hat Mr. Eisenhower die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Ein Reservat in North Dakota, eine Fabrik die nur von Frauen am Laufen gehalten wird, eine rampunierte Boxlegende, ein vergifteter Tanz des Wasserbüffels, eine Schwester auf gefährlichen Abwegen, eine hinreißende Liebesgeschichte und ein paar Geister die einfach nicht den Geist aufgeben wollen... erzählen davon wie wichtig es ist, für eine Sache einzustehen und nicht aufzugeben.
Dass am Ende in Washington eine Anhörung des Rats der Chippewa stattfinden konnte, ist tatsächlich passiert und stützt sich auf Briefe und andere Niederschriften des Großvaters von Louise Erdrich, Tochter einer Ojibwe und eines Deutsch-Amerikaners. Mit umwerfender Erzählkunst, viel Liebe genau dem richtigen Sarkasmus und feinstem Humor, verwebt sie wahre Begebenheiten und Fiktion zu einem außerordentlichen Porträt einer außerordentlichen Bevölkerugsgruppe.
Wer "Den Cub der singenden Metzger" die "Rübenkönigin" "Der Klang der Trommeln"oder oder...gelesen hat, wird sich wundern wie steigerungsfähig diese Autorin noch immer ist.
Und am Ende des Buches fragt man sich wie man jetzt eigentlich weiterleben soll ohne Thomas, Patrice, Wood Mountain, Roderick, dem Geist des Nebels und der Nachteule...
Lesen!!!
Unbedingt lesen!