Drum prüfe, wer sich ewig bindet...

Monica Ali: "Liebesheirat" (Klett-Cotta) | 5.4.2022

Ob man nicht noch was Bessres findet.Yasmin Ghorami und Jo Sangster wollen es tun. Ja sagen und sich ewige Treue schwören, bis dass der Tod sie scheidet. Dass es dazu nicht viel und schon gar nicht den Tod braucht, wird uns hier äußerst literarisch vor Augen geführt. Während die konservative Familie Ghorami auf die Feministin Harriet Sangster trifft, um sich kennenzulernen und die Hochzeit der Kinder zu planen, wird das Leben für alle zum Tanz auf dem Vulkan.
 "Solange man sich liebt und ehrlich zueinander ist, kann nichts passieren", lautet das Credo Von Yasmins Mutter Anisah. Harriet hält Gleichberechtigung und sexuelle Freiheit für die einzig richtigen Zutaten einer guten Beziehung und Bruder Arif rät gänzlich vom Bund der Ehe ab.
Während in London der Brexit diskutiert wird, die beiden ungleichen Familien den Clash der Kulturen zu umschiffen versuchen, explodieren die Verhältnisse und ein tiefer Riss spaltet nicht nur die politische Landschaft. Plötzlich ist alles möglich und gleichzeitig unmöglich. Träume zerplatzen wie Seifenblasen, böse Erinnerungen werden geweckt, Geheimnisse gelüftet und und gut funktionierende Lebensmodelle ad absurdum geführt.
Tragisch und komisch zugleich kommt diese Liebsgeschichte daher. Wie bei einer guten Serie kann man nicht aufhören zu lesen und binget sich von Kapitel zu Kapitel. Gerät in einen Strudel der Ereignisse, dem man sich nicht entziehen kann. Geschickt nimmt uns Monica Ali mit auf eine Reise, deren Ziel immer unbestimmter wird, je länger man unterwegs ist. Man wünscht sich sehnlichst endlich anzukommen und hat dennoch große Angst davor, dass einem die Destination ganz und gar nicht gefallen wird...
Obwohl hier ein bisschen viel verhandelt wird und einige Schubladen hätten zu bleiben können, hält man dennoch einen echten Schmöker (590 Seiten!) mit Suchtpotenzial in den Händen.
Lesen!
Unbedingt lesen!


Schnauze voll und ab dafür!

Mareike Fallwickl:"Die Wut die bleibt" (Rowohlt | 21.3.2022
Haben wir kein Salz? Eine simple Frage, die ein Fass zum Überlaufen bringt, Helene vom Abendbrottisch aufstehen und vom Balkon springen lässt. Einfach so! Drei Kinder bleiben zurück, ein Mann der sich immer nur hinter seiner Arbeit verschanzt und Sarah, die beste Freundin, die nie kapiert hat, was wirklich mit Helene los war. Die nicht gesehen hat, auf welches Unglück die Freundin da zusteuert. Mit ihr über die vielen Mutterwitze gelacht hat, die eigentlich nur gut verpackte Hilferufe waren. Sarah, selbst kinderlos und mit einer biologisch tickenden Gebärmutter schließt übergangsweise Helenes Lücke. Um wenigstens jetzt da zu sein. Wenn schon nicht mehr für ihre geliebte Helene dann wenigstens für die Kinder. Und tappt in die gleiche Falle. Während Leon ihr junger Lover ihr Haus hütet, einfach bei ihr einzieht und das Haus nach und nach in Beschlag nimmt, quetscht sich Sarah in die kleine Wohnung, zwischen den trauernden Vater Johannes die fast erwachsene Tochter Lola die sämtliche Nahrung und Annäherungsversuche  verweigert und die zwei kleinen Zwerge, die eigentlich nur streiten, weinen, gefüttert und getröstet werden wollen. Während Sarah den Haushalt schmeißt, die Familie strukturiert und am Laufen hält, erweist sich Johannes, wie immer als völliger Totalausfall. Erst Lola, die ihre Trauer in Wut umwandelt, erkennt irgendwann warum ihre Mutter diesen einen Schritt zuviel gegangen ist. Und weiß, dass sich nichts ändern kann, wenn nichts passiert. Ihre Rebellion und ihr wütender Feminismus richten sich gegen Männer die ihre Unzulänglichkeiten kultivieren, selbstgefällig ihre pure Daseinsberechtigung zur Schau tragen - vor allem gegen ihren Stiefvater Johannes. Durch eine unangenehme Testosteronbegegnung kommt Lola zu einer Gruppe junger Frauen, die im Kampfsport die Möglichkeit der Selbstverteidigung und Selbstbestimmung finden. Von essgestörter Bohnenstange entwickelt sich Lola zu einer Kampfmaschine, erobert sich ihren Körper zurück, pfeift auf Schönheitsideale und geht neue Wege. Und öffnet Sarah die Augen. Ein Jahr nach "The End"muss sich etwas ändern. Sarah will ihr Leben zurück auch wenn sie die Kinder vermissen wird. Der junge Lover entpuppt sich als Hemmschuh und muss entsorgt werden. Für Johannes wird es Zeit endlich Verantwortung zu übernehmen und Vater zu sein.
Parallel werden immer wieder Männer verprügelt, die sich an Frauen sexuell und oder gewalttätig vergangen haben. Eine Komponente, die dem Buch einen weiteren Drive gibt und nochmal ganz andere Türen aufmacht. Super spannend und ganz schön krass.
Am Ende versteht man auch warum es keinen anderen Weg gab als wirklich den Löffel endgültig abzugeben. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten einer Falle zu entrinnen, die schon Frauen Generationen vor uns gelegt wurde. Oder ihr gar zu entgehen. Es wird lange dauern, bis wir wirklich sind wer wir sind oder sein wollen. Irgendwann muss frau anfangen Nein! zu sagen! Besser spät als nie und am besten JETZT!
Lesen!
Unbedingt lesen!

Einatmen ausatmen!

Emmanuel Carrère: "Yoga" (Verlag Mattes & Seitz) | 5.3.2022
Während E. im Retreat versucht zur Ruhe zu kommen und vielleicht Inspiration für ein kleines feines Buch über Yoga zu finden, passiert (in größeren Abständen) folgendes:
ein Anschlag auf Charlie Hebdo, bei dem einer seiner besten Freunde erschossen wird. Eine bipolare Depression, die E. in selbst verordnete Elektroschocktherapie führt. Eine Flüchtlingswelle überschwemmt Griechenland.
Das Leben ist fragil und nichts ist für immer oder von dauerhaftem Bestand. Im Guten wie im Schlechten. Und ist nicht Chaos nötig um einen "tanzenden Stern zu gebären"? Solange wir nur um uns selbst kreisen, bemerken wir die Gegensätze der Welt kaum. Sobald man aus sich heraustritt, die Blase verlässt kann der nächste Agbrund sehr nah sein.
Auch Yoga ist Gegensatz. Wenn man die Lehre ernsthaft befolgt, ist es mehr als nur ein- und ausatmen. Viel mehr als nur bei sich zu sein. Als E. sich auf Leros einer Gruppe jugendlicher Geflüchteter anschließt, den anders Haltlosen Trost und Zuversicht spenden kann, findet er eine Möglichkeit, seine tiefe Verzweiflung, seine Zerissenheit und seine  Selbstmordgedanken an die Leine zu  legen. Zurück in Paris ist der Tunnel noch längst nicht durchschritten doch am Ende bereits ein Licht zu sehen.
Natürlich ist "Yoga" kein einziges Jammertal! Es wird geliebt und gelacht und herrlich rotzig über die Dummheit der Menscheit philosphiert. Weil autofiktional, weiß man dass dem Autor jedes noch so absurde Scharmützel durchaus zu glauben ist. So ehrlich spricht kaum jemand vom eigenen Scheitern, der eigenen Unfähigkeit, trotz aller Komfortzonen glücklich zu sein. Ohne Nabelschau zu betreiben! Und was ist das überhaupt: Glück? Ein seltener Zustand der inflationär gehandelt wird und nie von langer Dauer ist. Hat man das begriffen, ist das Leben eigentlich gar nicht so kompliziert. Und da der Autor durchaus über sich selbst lachen kann, dürfen wir es auch. Und schließlich bleibt ihm sein Yoga und das hilft immer!
Ein wichtiges Buch! Ein ganz und gar großartiges Buch. Da will man nur lesen und wissen wie es sich ausgeht. Und dann ist man traurig, dass das Buch zu Ende ist. Aber auch geläutert und denkt im besten Fall: aufstehen, Krone richten, weiter machen.
Einatman - ausatmen!
Lesen!
Unbedingt lesen!
Und ab auf die Matte!

Was gewesen wäre...

Francis Spufford: "Ewiges Licht" (Rowohlt Hundert Augen) | 25.2.2022
Als im November 1944 eine deutsche V2 in das Londoner Kaufhaus Woolworth einschlägt, verlieren über einhundert Menschen ihr Leben. Überwiegend Frauen und Kinder waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Wie hätte ihr Leben ausgesehen, wären sie zehn Minuten eher oder später von zu Hause aufgebrochen?
Fünf Kinder dürfen auferstehen und exemplarisch ein erfülltes, schönes, trauriges, erfolgreiches oder gescheitertes Leben führen.
Kann Jo die Hochbegabte in Amerika,  im Musikbusiness reüssieren? Zwillingsschwester Val jedenfalls, die sich in London dem falschen Mann anschließt, wird dem Glück ewig hinterherlaufen. Vern setzt auf schnelles Geld, geht über Leichen und bereichert sich am Schicksal Anderer doch auf dem Zenit seines Erfolgs zeigt Gott seinen harten linken Haken und nimmt ihm alles. Alec glaubt sich auf der Sonnenseite, ist sicher alles richtig gemacht zu haben. Fühlt sich unverwundbar, wird bequem und nachlässig. Margarete Thatcher macht ihm einen Strich durch die Rechnung und erinnert daran, wie fragil das Leben  ist. Und Ben, der eigentlich weder tot noch lebendig eine echte Chance hat, kriegt das schönste Ende von allen. Denn irgendwas geht immer! Egal wie sehr man sein Leben verkackt hat.
Das ist so gut! Eine Ode an die Menschlichkeit und die Unsinnigkeit des Krieges.
Traurig, witzig, spannend ohne je kitschig zu sein oder gar unnötige Klisches zu bemühen. Man geht mit den Figuren auf eine lange Reise, freut sich, sorgt sich, ist empört und stinksauer oder erleichtert, wenn gerade nochmal die Kurve gekriegt wurde. Und man denkt keine Sekunde daran, dass es ja eigentlich gar nicht...
Ich liebe dieses Buch! Das ist gute Unterhaltung auf ganz hohem Niveau. Ein großes Glück.
Ab Mitte März dann bitte:
Lesen!
Unbedingt lesen!

Die mit den drei Buchstaben

Fatma Aydemir:"Dschinns"(Hanser Verlag) | 25.2.2022
Während Hüseyin seine Zukunft in Deutschland gefunden hat, die Familie nach und nach dazukommen ließ, den Kindern Schule und Bildung ermöglichte, sich den Rücken dreißig Jahre krumm geschuftet hat um sich den Traum einer Eigentumswohnung in Istanbul zu erfüllen, vereitelt ein Herzinfarkt seine Pläne und lässt die ganze Familie noch einmal zusammenfinden. Die erwachsenen Kinder haben sich früh aus dem häuslichen Staub gemacht und so weit weg, wie möglich von zu Hause. Egal ob krumme Jobs, Studium oder ein eigenes Restaurant - alle haben sich frei gestrampelt und sich selbst bewiesen, dass man alte Zöpfe abschneiden kann.
Gastarbeit hat nur mit Arbeit und nichts mit Gast zu tun. Das muss  Emine, die nie richtig in Deutschland ankommt schmerzlich einsehen. Ihrem Mann verpflichtet, vergräbt sie sich verbittert in ihrer kleinen deutsch-türkischen Welt. Betrogen um das erste Kind, wird Emine  nie wieder wahre Mutterliebe empfinden und geben können, bleibt auf Abstand zu ihren vier Kindern. Während alle sich in der vermaledeiten Wohnung die keiner haben will treffen, wird die Familiengeschichte aus sechs Perspektiven erzählt und jede Geschichte ist anders und hat ihren eigenen "Cin". Egal ob Krankheit, Homosexualität, Drogensucht oder Psychose: Dschinns sind alles was man nicht braucht aber ist, weder gut noch böse - menschlich eben. Jeder hat sie. Man muss nur lernen damit zu leben.
Hammer Buch! Das ist so gut und klug gemacht, so spannend und aufregend. Man gerät sofort in einen Sog und der bleibt bis zur letzten Seite.
So gut! Neues Lieblingsbuch!
Lesen!
Unbedingt Lesen!

Keine Verwandlung ohne Verrat

Daniel Schulz: "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin) | 22.2.2022
Während sich die DDR auflöst, sich unterordnen muss und vielerorts den Anschluss verpasst, probt die Genaration, die zwischen alt und neu schon groß genug ist um zu erinnern was war und zu wünschen was sein soll, ihre eigene Revolution.
Wo ist der Platz im Leben, den sich die Freunde, die ihre Kindheit wie Brüder verbracht haben, neu erobern müssen? Während der Eine sich die Haare langwachsen lässen, rasiert der Andere sie ab. Die Freiheit nach der sich die jungen Wilden gesehnt hatten, ist plötzlich trügerisch und macht Angst. Wird unterteilt in rechts und links. Während ein schleichender Prozess von Gewalt und Ausgrenzung die Freunde spaltet, ihre Freundschaft  infiltriert und die Verbundenheit auf eine harte Probe stellt wird ein brandenburgisches Dorf abgehängt. So wie viele Dörfer und Regionen einfach vergessen und sich selbst überlassen. Dass da man da "mit der Faust in die Welt schagen will" scheint verständlich. Während die Punks sich verstecken, rotten sich die neuen Nazis zusammen, brüllen Parolen, die sie nicht wirklich verstehen und hauen um sich, was das Zeug hält. Die eigene Scheiße vergessen indem man aus den anderen die Scheiße rausprügelt. So einfach ist das. Was richtig oder falsch ist spielt keine Rolle - einfach irgendwas machen um zu spüren dass man noch da ist. Wie banal und fast unschuldig Rassismus und rechte Gewalt enstehen kann, ist schon erschreckend zu lesen. Weil alle immer nur schön "die drei Affen" machen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen) wird aus einem Strohfeuer bald ein Flächenbrand. Und da werden nicht nur Bäume abgefackelt...
Krasses Ding! Krasse Sprache! Krasse Geschichte! Aber wahr und wichtig! Wenn man etwas ändern will muss man verstehen. Das gelingt nach diesem Buch auf jeden Fall!
Lesen!
Unbedingt lesen!

Die Opferrolle ist eine Entscheidung(?)

Natasha Brown:"Zusammenkunft" (Suhrkamp Verlag) | 14.2.2022
Die Angst bleibt, ist immer da und allgegenwärtig.
Obwohl sie es ganz nach oben geschafft hat.
Obwohl sie härter an Ihrer Karriere gearbeitet hat als jeder Andere.
Zählt alles nicht weil sie schwarz ist. Entweder hat die Bank sie im Fall von "wir-sind-auch-divers-und-geben-person-of-color-eine-chance" befördert oder einer der Vorgesetzten war scharf auf sie. Anders kann es nicht sein. Die männlichen Kollegen sind sich da ganz einig. Auf den Olymp der Hochfinanz gehört so eine jedenfalls nicht wirklich. Come on! Das britische Klassensystem bröckelt und zeigt seine hässliche Fratze. Rassismus und Diskriminierung bleiben an der Tagesordnung, höchst kultiviert verpackt.
Als die junge Frau in die Familie ihres weißen akademischen Freundes eingeführt wird, gibt es einen Zwischenfall der sich so krass ausnimmt, dass man es kaum glauben mag. Und doch weiß: genauso läuft es ab. Immer noch und immer wieder. Wäre da nicht diese Diagnose, die das ganze interfamiliäre Showlaufen zur Farce werden lässt. Man erkennt früh, dass die junge Frau zwar ins offene Messer rennt aber schon längst weiß, dass es keine wahre Zukunft im Empire für sie geben wird. Am Ende wird sie einen touchdown plazieren, der sich gewaschen hat...
Die Welt ist divers, da beißt die Maus kein' Faden ab. Unter jeder Hautfarbe fließt das gleiche Blut. Wann kapieren wir das endlich? Wann legen wir die Scheuklappen weg und lassen die verschiedenen Kulturen voneinander profitieren?
So kurz dieser Roman ist (hundertvierzehn Seiten!), so wuchtig kommt er daher und lässt einem den Atem stocken!
Das ist wahre Kunst!
Lesen!
Unbedingt lesen!

"Wenn einem die Engel zum Arsch rausfliegen"

Annika Büsing: (Nordstadt) Verlag Steidl | 11.2.2022

Dann hat man Glück gehabt. Fliegen die Engel nicht, siehts eher düster aus.
Wie bei Boris dessen Hippie-Mutter ihm in Indien die Kinderlähmung an den Hals bzw. die Beine gehängt hat und der im Leben nur als Krüppel, Spasti oder "der mit den Beinen" rangiert.
Oder bei Nene, die von ihrem Vater ihr halbes Leben lang grün und blau geschlagen wurde und auch sonst wenig Schönes erfahren hat. Sich aber niemals als Opfer sieht, versucht zu vergessen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.
Boris schreibt sich und jeglichen Anspruch auf ein bisschen Glück ab - wer will schon einen Klotz am Bein haben. Als Menschenfeind kultiviert er seine Unzulänglichkeiten und seine dunklen Stimmungen.
Hat aber die Rechnung ohne Nene gemacht.
Als sie das erste Mal in seine Puma-Augen schaut, sind die verdrehten Beine nebensächlich. Bis Boris kapiert, dass Nene ihn wirklich will wird auf hundertdreiundzwanzig Seiten eine bizarre, schöne, traurige, humurvolle, unglaubliche Liebesgeschichte erzählt. Coming of Age für Fortgeschrittene.
Das hat's lange nicht gegeben! Kein Wort zu viel. Und doch erzählt die Autorin ganz großes Kino (schreit nach Verfilmung) haut uns das Leben um die Ohren und reißt uns das Herz raus. Gott sei Dank kriegen wir es am Ende zurück!
Dieses Buch ist ein Orkan! Ein Feuerwerk und eine krasse, kurz gefasste Bestandaufnahme unserer Gesellschaft! Man muss dem Glück nur einen Stuhl vor die Tür stellen. Und sie bitteschön auch öffnen!
Hammer! Ich bin noch ganz verstrahlt von diesem Buch.
LESEN!
UNBEDINGT LESEN!

 

 

 


Chromosom sechzehn

Percival Everett: "Erschütterung" (Hanser Verlag) | 1.2.2022
Zach Wells ist Paläontologe, Afroamerikaner, zynisch, selbstironisch und vom Leben eher enttäuscht als erwartungsvoll. Die Liebe zu seiner Frau ist abhanden gekommen, seine berufliche Laufbahn aus den Fugen geraten. Als seine Tochter an einer Mutation des CLN3-Gens auf Chromosom sechzehn erkrankt, eine Krankheit die nach schleichendem Gedächtnisverlust und Erblindung unweigerlich zum Tod führt, beschließt der "erschütterte" Mann  sich auf ein gefährliches Abenteuer einzulassen. Im Kragen einer Jacke, die er second-hand gekauft hat findet er einen Zettel mit einem mysteriösen Hilferuf, der ihn in die Wüste New Mexicos führt. Ein Gruppe von Frauen wird dort illegal und menschenunwürdig festgehalten. Zach, der sich nie für  Gleichberechtigung Schwarzer eingesetzt hat und nur in der Liebe zu und im exzessiven Schachspiel mit seiner Tochter Freude und Erfüllung finden konnte, verlässt seine Komfortzone um sich gegen Rassismus und für Menschenrechte einzusetzen, wenigstens "irgendjemand" zu retten". Endlich etwas zu tun.
Er schmiedet einen waghalsigen, gefährlichen Plan der am Ende eine Art Erlösung verspricht.
Was für ein Buch! Alle Themen die uns bewegen werden verhandelt, erschüttern und rütteln gleichzeitig wach. Von nichts kommt nichts und ohne Solidarität geht die Welt, gehen unsere Werte vor die Hunde.
Lesen!
Unbedingt lesen!

Heldinnen des Kosmos!

Sofi Oksanen: "Hundepark" (Verlag Kiepenheuer&Witsch) | 1.2.2022
Während die Tante im Garten Rohopium produziert, versucht Olenka den gefährlichen Mohnanbau der Familie durch Werbeverträge als Fotomodell zu ersetzen. Da sie nie über Fleckentferner, Autoersatzteile und Kastanienpüre hinauskommt, sinnt die junge Frau nach anderen Einnahmequellen.
Durch Zufall gerät sie an die Schnittstelle der Fruchtbarkeitsindustrie  zwischen Ost und West. Dem Geschäft und der Ausbeutung des weiblichen Körpers durch Eizellenspenden.
Im heutigen Finnland und der Ukraine entspinnt sich eine rasante Geschichte über die kriminellen Machenschaften sogenannter Organisationen, die mit dem Wunsch reicher und der Verzweiflung armer Frauen das große Geld machen. Und über Leichen gehen.
Zwei ukrainische Frauen die ein gemeinsames Schicksal verbindet, treffen sich zufällig wieder: in einem Hundepark in Helsinki. Beide um heimlich"ihre" Kinder zu sehen auf die sie niemals Anspruch erheben dürfen. Eine der beiden  hat noch eine Rechnung offen...
Super spannend! Politisch hoch aktuell und wieder einmal hängt alles mit allem zusammen.
Lesen!
Unbedingt lesen!