Atemberaubendes Marschland in North Carolina. Die kleine Kya wird mit sechs Jahren von Ihrer Mutter verlassen. Es folgen die Geschwister, und als auch der saufende, prügelnde Vater das Weite sucht, ist das Mädchen auf sich allein gestellt. Fernab jeglicher Zivilisation gelingt es dem Kind, den Vertretern des Jugendamts immer wieder zu entwischen, bis sich keiner mehr für das "wilde, schmutzige Marschmädchen" interessiert. Zwei Tage Schule und fiese Übergriffe einiger Mitschüler machen Kya klar, dass sie in der normalen Welt nicht erwünscht ist. Ihre Freunde sind die Vögel, mit denen sie Maisbrötchen und Einsamkeit teilt und alle Tiere der Marsch, die ihr viele Überlebensstrategien beibringen.
Ein Junge aus der Nachbarschaft, Sohn eines Krabbenfischers, ist ihr wohlgesonnen und lehrt sie lesen und schreiben. Ein schwarzer Tankstellenbesitzer versorgt Kya in den ersten Jahren mit allem was sie braucht. Als aus dem Mädchen eine junge Frau geworden ist und zwei Männer in ihr Leben treten, versucht Kya auch jenseits der Marsch Fuß zu fassen. Es gelingt ihr nicht. So entschließt sie sich endgültig für ein Leben zwischen Salzwiesen und Sandbänken. Als der beliebteste Quarterback der Küstenstadt tot aufgefunden wird, kann es natürlich nur die "Wilde aus dem Marsch" gewesen sein. Ein aufreibender Gerichtsprozess beginnt, der Kyas Leben dramatisch verändert.
Was für eine Ode an die Natur, die Entschleunigung und natürlich an die Liebe! Man riecht förmlich den Duft der Gräser und das Salz des Wassers, hört die Insekten zirpen, die Vögel singen, spürt den leisen Wind und verkriecht sich mit Kya vor donnernden Gewittern. Man fährt mit ihr in ihrem alten Kahn, stromert durch dichtes Baumgeflecht, sitzt mit klopfendem Herzen am Strand und spürt die süße Verheißung der ersten Liebe.
Ein echter Sommerschmöker. Leider sind die letzten paar Seiten dermaßen kitschig. Ich rate, nur bis Seite 445 zu lesen. Schade, dass man dieses schöne Buch am Ende so abstürzen lässt.
Aber trotzdem:
Lesen!
Unbedingt lesen!
Der Sohn einer vietnamesischen Bauerntochter und eines amerikanischen Soldaten schreibt Briefe an seine Mutter, die sie nie lesen wird. Als Analphabetin, kaum englisch sprechend und alleinerziehend, versucht sie ihren Sohn und die schizophrene Großmutter über die Runden zu bringen. Ausgebeutet in einem Nagelstudio, mit zerschundenen Händen und zermürbtem Gemüt, lässt die Mutter den Sohn durch Prügel und Arrest ihre Hilflosigkeit spüren. Der wiederum bleibt standhaft, ohne Hass und ohne sich zu wehren. Bis er alt genug ist, ihr Einhalt zu gebieten. Klug und sprachlich begabt muss "Little Dog" viel Schmach und Schande ertragen, bevor er seinen Platz im Leben findet. Während der queere junge Mann endlich seine erste große Liebe zu einem amerikanischen "Übergansschwulen", der glauben will, dass sich "das" in ein paar Jahren von selbst erledigt, erlebt, muss er feststellen, dass es nicht nur kompliziert ist, "gelb" und homosexuell zu sein...
Endlich! Nach der Tet-Offensive, das erste Buch, das mich umhaut. Ganz anders zwar und auf nur 230 Seiten aber immerhin! Ein Debüt, an Genialität wohl kaum zu überbieten - unglaublich, unheimlich, unverschämt gut.
Dieses Buch MUSS man lesen! Unbedingt! Das wirkt lange nach, geht tief unter die Haut und berührt die empfindlichsten Punkte. Ein humanistisches Stück Literatur á la Steinbeck, Barry und Yanagihara.
Das Buch erscheint am 22. Juli und darf, im großen Stapel, neben Max & Mischa liegen!
Elwood, ein schwarzer, intelligenter, junger Mann aus armen Verhältnissen, bekommt die Möglichkeit eine Universität zu besuchen. Zur falschen Zeit, am falschen Ort, in eine vermeintliche Straftat verwickelt, landet der kluge Sechzehnjährige jedoch in einer Besserungsanstalt für jugendliche Straftäter - der Nickel Academy.
Gewalttätige Ku Klux Klan Anhänger treiben hier Ihr Unwesen. Rassistische, pädophile Wärter und sadistische Lehrer quälen und missbrauchen die Jungen ohne Rücksicht auf Verluste. Wer es wagt aufzumucken, kommt in's "Eishaus" zur Sonderbehandlung und verschwindet, in der Regel, auf Nimmerwiedersehen. Weiße Jungs werden bevorzugt behandelt, schwarzen Insassen, geht es an den Kragen und andere Körperteile.
Im Florida der Sechziger Jahre, versucht Elwood sich mit Erinnerungen an Reden von Martin Luther King und den "Sitzplatzboykotts" der mutigen Rosa Parks über Wasser zu halten und sich nicht brechen zu lassen. Dass viele Jungen nie aus der Anstalt zurückkommen, verwundert zunächst niemanden und wird erst Jahrzehnte später relevant. Als in der Nähe der ehemaligen Anstalt eine Art Massengrab gefunden wird und einer der Nickel-Überlebenden an die Öffentlichkeit geht, wird eine tragische Geschichte von höchster Kriminalität, Korruption, Menschenverachtung und Mord aufgedeckt.
Basierend auf der wahren Begebenheit der "Dozier School for Boys", in Marianna (Florida) hat Colson Whitehead ("Underground Railroad") erneut den tief verwurzelten Rassismus Amerikas unter die Lupe genommen.
Und da bleibt nicht viel Gutes übrig!
Mein Buch 2019! Eine Geschichte, auf die ich, seit dem "Halbbruder" und "Ein wenig Leben", lange gewartet hab.
Eine Geschichte über Heimat, Familie, Freundschaft, Musik, Theater, Kino, sich (und die besten Freunde) verlieren und neu (er)finden... über alles, was uns ausmacht. Eine Geschichte, die das Leben schreibt, die man sich wünscht oder die man für ein Lügenmärchen hält, wenn man sie von anderen hört. Eine Geschichte, wie ein Lieblingskleidungsstück, dass immer gemütlicher wird, je länger man es trägt.
Max aus Stavanger, hat eine Schwester, coole und liebevolle Eltern, einen besten Freund, gute Schulnoten, kennt in seiner Straße alles und jeden, macht Schulausflüge, trinkt sein erstes Bier, raucht die erste Kippe, verdient sich den ersten Kuss...Alles so wie es sein soll, wenn man später von einer glücklichen Kindheit erzählen will. Heimlich schauen er und seine Kumpels immer wieder "Apocalypse Now" (es ist die Zeit, in der Väter oder Onkel in Vietnam gekämpft haben), spielen Krieg und ahnen nicht, welchen Einfluss der Vietnamkrieg und seine Folgen, auf Max Familie und sein weiters Leben haben wird. Wie später auch 9/11. Die Mutter ist eine überzeugte Anhängerin der AKP (m-l!). Der Vater, eher ein kommunistischer Mitläufer, beschließt irgendwann sein Arbeiterklassendasein an den Nagel zu hängen und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, seinen Flug/Pilotenschein in den Hut zu werfen und endlich wieder einen richtigen Job zu machen.
Für die Familie heißt das "ha det bra" Stavanger und "high five" New York. Dann passiert alles mögliche, was eben so passiert, wenn man sich neu sortieren muss. Viele Jahre geht alles gut, Max und Schwester Ulrikke verlieren ihr Heimweh und hauen ihre Fersen in den Asphalt von Long Islands Garden City. Sie werden erwachsen, fliegen aus und verlassen ihre Eltern, die einander schon längst verlassen haben. Max erlebt seine erste große Liebe, wird Schauspiel an einer renomierten Academy of Dramatic studieren und seinen Onkel, das schwarze Schaf der Familie und Bruder seines Vaters, auf der Upper Westside finden.Er wird mit Mischa und Onkel Ove im spektakulären Apthorp wohnen, den 11. September hautnah miterleben und erkennen, dass Krieg allgegenwärtig ist - nur die Schauplätze verändern sich. Aus Ove ist längst Owen geworden. Seine norwegischen Wurzeln hat er gegen amerikanische eingetauscht, die ihn aber nicht wirklich am Boden festhalten können. Was damals geschah, warum Ove und Max Vater seit mehreren Jahrzehnten keinen Kontakt mehr hatten, weshalb Ove nach Amerika ausgewanderte, erzählt sich zwischen, Jazz und Klassik, Kinofilmen und Theaterveranstaltungen, Kunstausstellungen, Saufgelagen, "flotten-Dreier-Beziehungen" (nicht mit Onkel Owen - Gott bewahre!) und langen Spaziergängen am East River. Zwischen Brooklyn und der Manhattan Bridge, in Harlem, der Bronx, oder im Central Park erzählt Ove, wie er sich fand und wieder abhanden gekommen ist. Und im Sound der 80er und 90er Jahre, bis ins Jahr 2012, lässt Johan Harstad uns am Leben und Leiden von Max Hansen teilhaben, der schon "viel zu früh, den Fehler gemacht hat, seine Seele in seine Arbeit zu legen" und sie nicht bzw in einem völlig rampunierten Zustand zurückbekommen hat. Max und seine Freunde sind am Ende nicht mehr die drei leichtfüßigen Musketiere, die das Leben rocken aber immer noch bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen...
Wer auch immer die Protagonisten sind, Johan Harstad hat sie "laufen lassen" und wenn sie sich ihre Nasen blutig gestoßen haben, zurück geholt und in den Arm genommen. Man hat das Gefühl, da is immer einer, der sich Sorgen macht und aufpasst. Mit diesem Buch ist man "sicher", braucht sich vor nichts mehr zu fürchten und bereit für die einsame Insel.
Was für ein Buch! Ich liebe es und verneige mich tief!
Takk!
Lesen! Unbedingt lesen!
1688 stellte der elsässische Arzt Johannes Hofer fest, dass Heimweh bei Schweizer Söldnern, "nicht selten zu körperlicher Zerrüttung führt, im schlimmsten Fall sogar zum Tod". Heimweh hat man, wenn man seine Heimat vermisst - wenn man eine hat. Was ist Heimat? Was macht sie aus? Während Kristine sich in der Berliner Heimat um die demente Mutter ihrer besten Freundin Elli kümmert und so die Geschichte dieser Familie erzählt wird, sucht Elli in Basel ihre Bestimmung. Kommt nie richtig an, vermisst die beste Freundin schmerzlich und geht doch nicht zurück. Entfernt sich immer weiter - geographisch gesehen.
Wie alle in dieser Geschichte, sind drei Generationen, vertrieben, geflüchtet oder auf der Suche nach neuen Ufern. Von Böhmen nach Brandenburg, nach Berlin, nach Hamburg, nach... und wieder zurück. Der Balaton fungiert als "Fluchtpunkt San Francisco", wo heimlich, bis zum Mauerfall, deutsch-deutsche Freundschaft gelebt werden kann. Als die Mauer fällt, dann die große Frage: wohin? Und wenn man plötzlich, fern der Heimat, sich selbst nicht mehr kennt oder den letzten Menschen verliert, der einen am längsten gekannt hat, ist es gut, dass es da noch die beste Freundin gibt.
Was für ein schönes, kluges und wahres Buch! Auf weniger als 220 Seiten steht alles, was das Leben ausmacht. Eine Ode an die Freundschaft und die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Herausragend und sehr berührend!
Lesen!
Unbedingt lesen!
Nachdem der große Bankier Marcel Péricourt das zeitliche gesegnet hat und seine Tochter Madeleine, als Frau, in einer Zeit, in der Frauen noch nicht einmal einen Scheck unterschreiben durften, sich plötzlich an der Spitze eines Imperiums sieht, geht, einige Zeit später, die väterliche Hinterlassenschaft ebenfalls in die ewigen Jagdgründe ein. Madeleine, die sich blind auf die rechte Hand des verstorbenen Vater verlassen hatte, wurde übel getäuscht und mittels Intrigen und bösartigen Verschwörungen der nächsten Verwandten und "treuen" Angestellten des Hauses Péricourt, entthront und in bittere Armut verbannt.
Sohn Paul, durch einen tragischen Unfall den Freuden des Lebens entrissen, findet durch ein altes Grammophon ein polnisches Kindermädchen und die Liebe zur Oper, zu einem durchaus erfüllten Dasein zurück. Madeleine, nicht hübsch aber auch nicht gerade hässlich, beißt Paul zuliebe die Zähne zusammen, hört auf, sich weiter selbst zu bemitleiden, und sinnt nach Rache.
Klug und gewitzt nimmt sie ihr Schicksal in die Hand und schlägt ihre Widersacher mit deren eigenen Waffen. Kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs, gerät die Welt immer mehr aus
den Fugen. Während Hitler politisch und waffentechnisch aufrüstet, graben sich die politische Parteien in Frankreich gegenseitg das Wasser ab, wird mit arabischem Öl spekuliert und, um Hitler die Stirn bieten zu können, ein spektakuläres Luftfahrtinstitut eröffnet. Bei Sabotage, Gier, Neid und großen Börsenskandalen heißt das Motto "wie gewonnen so zerronnen" und jeder versucht seine Schäfchen noch schnell ins Trockene
zu bringen. Und dazwischen, fein und gemein, Madeleine, die am Ende ein enges Netz gesponnen hat, aus dem keiner mehr ungeschoren rauskommt.
Da ist er wieder! Der große Pierre Lemaitre! Prix Goncourt für "Wir sehen uns dort oben", an dessen Geschichte er hier fast nahtlos anknüpft, die man aber auch lesen kann, ohne das vorherige Buch zu kennen. Da wird man mit 500 Seiten aufs beste unterhalten, kann kaum aufhören zu lesen und sieht die deutsch-französische Beziehung nochmal in einem anderem Licht...
Was für ein Buch! Das ist ganz, ganz große Unterhaltungsliteratur - ein Pageturner auf hohem Niveau. Ein Feuerwerk! Was soll ich sonst noch sagen?
Lesen!
Unbedingt, unbedingt lesen!
Wollen wir ewig leben? Wenn man liest, wohin das führen kann...lieber nicht, würde ich sagen.
Als der junge Arzt Norton Perina, das erste Mal von der mikronesischen Insel U'ivu zurückkehrt, hat er nicht nur die Unsterblichkeit entdeckt, sondern auch seine fatale Liebe zu Kindern.
Während die Insel in Windeseile kolonialisiert, sprich zerstört und ausgerottet wird, die letzten, fossilen Schildkröten,für das ewige Leben , ihre Köpfe, Beine und Bäuche lassen müssen, importiert und adoptiert Perina viele (sehr viele!) Inselkinder. Alle werden gehegt, gepflegt und zu anständigen, klugen Menschen erzogen.
Als es den ersten Streit mit den bereits erwachsenen Kindern gibt, sieht Norton Perina sich plötzlich vor Gericht, des sexuellen Missbrauchs angeklagt.
Und dann tut sich ein Fass ohne Boden auf...
Wo hört Liebe auf und fängt Missbrauch an? Wie halten es fremde Kulturen mit dem sexuellen Umgang mit Heranwachsenden und warum sind gewisse Rituale dort verbreitet und natürlich? Dürfen wir das verurteilen? Dürfen wir das nachahmen? Verstehen wir, was wir dort sehen, wo wir nicht hingehören?
Wie man sich denken kann, beruht die Figur Perinas auf einer wahren wissenschaftlichen Person: Daniel Carleton Gajdusek , Nobelpreisträger für seine bahnbrechende Arbeit zu "Kuru", einer Creutzfeldt-Jakob und dem Rinderwahn verwandten Krankheit, die er bei einem kannibalistischen Volk Papua-Neuguineas entdeckte.
Norton Perinas Geschichte geht in Ordnung und ist, nach meinem Lieblingsbuch von Yanagihara "Ein wenig Leben" ein ganz anderer, gut gemachter Abenteuerroman. Vielleicht auch besser so. Eine ähnliche "Willem-"JB"- Malcolm-Jude- Geschichte" wäre wahrscheinlich ohnehin nicht in Frage gekommen. Obwohl ich gerne gewusst hätte, was aus den beiden Übriggebliebenen geworden ist...
Lesen!
Unbedingt lesen!
Gemäß Interview waren T.C. Boyles Drogen: Musik und Natur . Ha, ha - wer's glaubt wird selig!
Selig werden, zu Gott aufsteigen, wollen jedenfalls alle, die sich um Harvard Professor Timothy Leary versammeln. Ein Psychologe, der die Psychologie revolutionieren und einem erlesenen Kreis, seine Vision der Bewusstseinserweiterung und losgelöster Lebensform nahebringen will. Fitz, wissenschaftlicher Assistent, hofft auf einen Karriereschub, wenn es ihm gelingt, sich Zutritt zum "Inner Cicle" des Gurus zu verschaffen. Als er zu einer der legendären Drogenpartys eingeladen wird, merkt Fitz schnell, dass das Interesse von Dr. Leary weit über medizinische Erkenntnisse durch Selbstversuche hinausgeht. Schnell rekrutiert der Drogenprofessor eine feste Gruppe, die bereit ist, mit ihm über Grenzen zu gehen. Nachdem Leary der Universität den Rücken gekehrt und sich, mit seinen Auserwählten, in Mexiko niedergelassen hat, gründet er später die berühmt, berüchtigte Millbrook- Kommune. Am Ende sind alle nur noch high und selbst die Kinder der "Probanten" werden auf kontrollierte Trips geschickt. Heftige sexuelle Ausschweifungen und immer härter werdende Drogencocktails, lassen das Projekt gefährlich scheitern...
Interessant, dass man in den 60ger Jahren völlig andere Musik hörte, wenn man Drogen konsumierte (ausschließlich Jazz), als 10 Jahre später. Und dass Joints verboten waren, LSD jedoch lange nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fiel. Lysergsäurediethylamid (Synthese Nummer 25 ), später kurz LSD genannt, wurde bereits 1943 in Basel, von Dr. Hoffmann, durch einen ziemlich kuriosen Zufall entdeckt. Auch da probierte man heimlich, und in Selbstversuchen "Synthese Nummer 25" aus, um sich dem "Licht zu nähern". Ob damals schon jemand geahnt hat, was diese psychedelische Droge für Ungemach mit sich bringen wird?
Muss man das lesen? Nö, kann man aber - unterhaltsam ist es allemal! Und es ist T.C. Boyle, wie wir ihn lieben und haben wollen: Sex, Drugs and "Jazz'n Roll".
So beschreibt Jon, Staatsdiener der britischen Regierung, den Händedruck der verlogenen Abgeordneten. Ekelhaft, falsch und von unguter Beschaffenheit. Frustriert vom Job, geschiedener Ehe, abtrünniger Tochter und der fehlenden Moral im "Unterhaus", fristet der "gute Mann in einer schlechten Welt" sein Dasein. Um wenigstens seinen Mitmenschen etwas Gutes zu tun, kommt Jon auf die absurde Idee, alleinstehenden Frauen in deren Auftrag Liebesbriefe zu schreiben. Schöne und betörende Worte - alles nur von Postfach zu Postfach. Um wenigstens etwas Liebe in die kalte Welt zu bringen. Als Meg, anonyme Alkoholikerin und völlig bankrott, Jons erste Briefe liest, wagt sie, hingerissen, ängstlich und neugierig zugleich, ein Treffen mit dem modernen Cyrano de Bergerac. Eine fragile Beziehung beginnt und lange hat jeder Angst, sich dem anderen wirklich zu zeigen. Während die Romanze auf ihren Höhepunkt zusteuert, wird die britische Regierung unter die Lupe und auseinander genommen - als hätte Frau Kennedy schon damals den Brexit vorausgeahnt.
Was für ein grandioses Buch und typisch für die Autorin, die uns gerne das Leben um die Ohren haut. Wie immer drastisch, krass und mit bestem, schottischen Humor. Skurril und witzig, traurig und berührend, stellt sie uns die Frage, ob wahre Gefühle in einer Welt voll Lug und Trug noch möglich sind. Und ja, sie sind es!
Das besondere an dem Buch: alles geschieht an nur einem Tag. Von 06:42 bis 18:42 Uhr. Und in diesen Stunden blättert A.L. Kennedy auf 560 Seiten zwei ganze Leben auf und den kompletten Irrsinn der Politik gleich mit dazu!
Wahnsinn! Großartig!
Unbedingt lesen!