Ach wie gut, dass niemand weiß...

Dennis Lehane: "Der Abgrund in Dir" (Verlag Diogenes) | 20.7.2018
Dennis Lehane: "Der Abgrund in Dir" (Verlag Diogenes)
Rachel fliegt raus, weil sie als Journalistin über etwas berichtet, dass keiner wirklich so genau wissen will. Brian fliegt auf Rachel, seit er sie das erste Mal gesehen hat. Der fliegt aber irgendwann auf, Kumpel Caleb gleich mit - deshalb muss, wer am Ende nicht mausetot ist, zusehen dass er oder sie, rechtzeitig den Abflug macht...

Na das is mal wieder ein waschechter Lehane. Krimi, Liebesgeschichte, Psychogramm - alles in einem. Während Angststörungen und Panikattacken, das Leben von Rachel äußerst schwierig machen, der erste Ehemann, ein moralisches Arschloch, sie verlässt, Rachel ganz tief sinkt und Brian, der schöne, gute und wahre Gentleman sie unter seine Fittiche nimmt und wieder aufmöbelt, führt der ein Doppelleben, das sich gewaschen hat.

Es geht um Betrug im ganz großen Stil, "gesalzene" Goldminen und richtig dicke Fische. Es geht um Mord, clevere Cops (nicht clever genug) und gerissene Gauner, die ihrer eigenen Genialität zum Opfer fallen. Es geht um Liebe und Hass und den schmalen Grad, der dazwischen liegt, um Vertrauen und Verrat und die Frage: Wer ist Freund und wer ist Feind?  Und natürlich um jede Menge Kohle. Da ist nichts, wie es scheint und alles wird ständig in Frage gestellt! Das reinste Spiegelkabinett! Herrlich! Wer sich gut unterhalten will, ohne sich furchtbar dabei anzustrengen:
Lesen!

Unbedingt lesen! Coming soon (August 2018)

 


"Knusper, knusper knäuschen..."

David Mitchell: "Slade House" (Verlag Rowohlt) | 10.7.2018
David Mitchell: "Slade House"  (Verlag Rowohlt)Schön unheimlich, schön spannend und schön kurz! Ein ungewohnt schmales Bändchen von Herrn Mitchell, der uns ja normalerweise nur mit dicken Schinken versorgt.

Ein dunkles Haus in einer dunklen Straße, mit äußerst düsteren Bewohnern. Alle neun Jahre nur zeigt es sich, das Geisterhaus und lockt seine Opfer. Egal wie modern und aufgeklärt, klug und gebildet, alt und erfahren oder jung und respektlos die Besucher sind. Wen die Seelenfresser auserkoren haben und zu sich rufen, wird keine Gnade und kein Entrinnen finden.

Da sind sie wieder! Die üblichen Verdächtigen, ohne die David Mitchell keine Bücher mehr zu schreiben scheint: Phantome, Untote, nebulöse Vertreter vergangener Epochen, Zauberkünstler, Scharlatane. Eben noch alles ganz normal und - ZACK - ehe man sich versieht, ist es wieder soweit.  Und obwohl man ganz genau weiß, dass bereits alles verloren ist, wünscht man sich, dass  dieses eine Mal die Auserwählten doch bitte, bitte mit heiler Haut davon kommen...

Schöne Hommage an alle Schauerstücke der phantastischen Klassiker. Man denkt an Edgar Allan Poe und Lewis Carroll genau so, wie an surreale Kunst von Salvador Dalí oder M. C. Eschers "Drawing Hands". Wohliges Gruseln und tiefes Abtauchen garantiert!
Wozu braucht man dieses Buch? Keine Ahnung!

Soll man das lesen? Unbedingt!


Love is a Battlefield!

Nathalie Azoulai: "An Liebe stirbt man nicht" (Verlag Secession) | 13.6.2018
Nathalie Azoulai: "An Liebe stirbt man nicht" (Verlag Secession)
Jean Racine schreibt im 17. Jahrhundert, in einem Vorwort zu seiner großen Tragödie "Bérénice": "Eine Trennung ist keine Nichtigkeit" (...) Dieser Satz, mit seiner ganzen Geschichte, hält Bérénice aus dem 21. Jahrhundert am Leben. Nachdem ihr Liebhaber sie endgültig verlassen hat, stürzt sie sich, statt aus dem Fenster oder vor die nächste U-Bahn, in die Literatur.

Jean Racine und seine Verse, seine Dramen und Tragödien werden ihr zu den einzigen Freunden, von denen sie sich noch verstanden und ertragen fühlt. Wir alle kennen das. Mehrere Male und in epischer Breite vorgetragener Liebeskummer, halten die besten Freunde auf Dauer nicht aus. Man kann sich ja selbst kaum ertragen, wie sollen es andere? Wohl dem, der das richtige Buch zur Hand hat, um sich darin zu verkriechen und der Welt den Rücken zu kehren. Und je tiefer Bérénice in die Geschichte Racines eintaucht, um so mehr erfährt der Leser über die französische Barock-Ikone. Eine Biographie, geprägt von anfänglicher Askese durch lange Klosteraufenthalte, bis hin zu Prunk und Protz am Hofe König Ludwigs XIV. So aufregend, wie es heute kaum aufregender sein kann. In Dauerkonkurrenz mit Molière schafft es Racine irgendwann sich durchzusetzen. Wird bei Hofe aufgeführt, reüssiert und lebt doch immer am Abgrund der Gefühle. Mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Erfolg wird von harscher, zynischer Kritik abgelöst. Großer Liebe folgt großer Liebeskummer und umgekehrt. Und Racine leidet wie ein Hund. Immer und an allem. An sich, am Leben, dem Theater... und vor allem an der Liebe. Vielleicht auch nur, um sein Genie zu befeuern. Oder sich immer wieder von der Literatur Vergils und Heliodors trösten zu lassen, die ihn ein Leben lang begleiten und uns Lesern Lust machen, die alten Dichter und Epiker neu zu entdecken.

Wie kann ein Mann aus dem 17. Jahrhundert so berührend über die Liebe schreiben? Und noch dazu aus weiblicher Sicht? Das ist wirklich ungewöhnlich und sehr beachtlich! Und so schön!
Was für ein großartiges Buch! Eine Ode an die Literatur und die Sprache der Liebe.

Ob mit oder ohne Liebeskummer:
Lesen! Unbedingt lesen!

 


"Game of Thrones" meets "Schurken der Landstraße"!

Daniel Kehlmann. "Tyll" (Verlag Rowohlt) | 19.5.2018
Daniel Kehlmann. "Tyll" (Verlag Rowohlt)

Wer sehnsüchtig auf die finale 8. Staffel wartet (vor 2019 wird das wohl nix), Schurken der Landstraße bereits mehrmals gelesen hat, flüchte sich doch einfach in die Welt des Tyll Eulenspiegels. Zwar gibt es keine weißen Wanderer, Schattenwölfe, Riesen oder fliegende Drachen, dafür aber sprechende Esel, melancholische Henker, Zwerge und  Magier. Viel Schlamm und Dreck, sinnlose Kriege, mit gewaltigen Schlachtfeldern, guillotinierte Köpfe und einen irren König der nicht weiß, ob er überhaupt noch König ist und wovon eigentlich. Tyll, nicht ganz richtig in seiner Zeit verortet (aber da kann man schon mal ein Auge zudrücken), befindet sich hier in den Wirren des dreißigjährigen Krieges. Sein Vater fällt als ketzerischer Weltenforscher in kirchliche Ungnade. Sohn Tyll beschließt erstens an nichts mehr zu glauben, was er nicht selber sehen kann, und zweitens niemals zu sterben. Auf seiner Flucht durch das, von Religionskriegen verwüstete Land, trifft der junge Vagant auf Gelehrte und Schriftsteller, poetische Ärzte, tollkühne Scharlatane und fanatische Jesuiten, böhmische Könige im Exil und den großen "Polyhistor" Athanasius Kircher. Dem verrückten Allesforscher, der am Ende zugeben muss, dass  "alles nur geklaut", erstunken und erlogen ist. Und was haben die alle miteinander gemeinsam? Das muss man schon selber lesen!
Es lohnt sich und verkürzt die Zeit, bis Jon Schnee und Kalisi zurückkommen...

 


Amour fou.

Mareike Fallwickl: "Dunkelgrün Fast Schwarz" (Frankfurter Verlagsanstalt) | 28.4.2018
Mareike Fallwickl: "Dunkelgrün Fast Schwarz" (Frankfurter Verlagsanstalt)

Moritz liebt Johanna. Johanna liebt Raffael. Raffael liebt niemanden, außer sich selbst - vielleicht nicht mal das. Als Kinder finden die "drei Musketiere" zusammen. Am Arsch der Welt, wo diese eigentlich noch in Ordnung sein sollte.  Ein Bergdorf in Österreich. Klein, eng und spießig. Da geht sich nix aus, wenn man zugezogen ist. Da kann man froh sein, wenn einer einem die Hand reicht, auch wenn man sich später die Finger daran verbrennt. Während Marie mit dem kleinen Moritz und der neugeborenen Sophie in dieses Kaff zieht, wohnen Raffael, sein kleiner Bruder und deren Mutter Sabrina schon längst dort. Nicht ganz freiwillig und auch nicht wirklich wohl gelitten. Beide Mütter sind jung und anders als die restlichen Bergdörfler. Die Männer sind berufsbedingt selten zu Hause, die Kinder im gleichen Alter. Raffael nimmt Moritz sofort unter seine "dreijährigen Fittiche", während die Freundschaft zwischen den Müttern nie wirklich in die Gänge kommt. Marie spürt Raffaels kaltes, berechnendes Wesen, sieht den Dämon lauern, unter dem hübschen Kindergesicht. Bisswunden und blaue Flecken gehören fortan zur Tagesordnung. Aus Angst vor Strafe und Verlust des besten Freundes, erträgt Moritz Raffaels Übergriffe. Als die Kinder älter und die Wunden tiefer werden, kommt Johanna dazu. Rau, schön und geheimnisvoll, bildet sie die perfekte Mitte. Während Motz pubertierend und in tiefer Liebe zu Johanna schmachtend vergeht, nimmt Raffael sich was er will. Durch einen Schicksalsschlag getrennt und 16 Jahre später, treffen die ehemaligen Freunde noch einmal aufeinander und lassen es ordentlich krachen.  Da werden die Messer gewetzt, alte Wunden aufgerissen und offene Rechnungen beglichen...

Krass! Cool! Unglaublich spannend! Auf jeder Seite denkt man: gleich passiert was. Und wenn es passiert, zieht's einem echt die Schuhe aus und man fürchtet sich vor dem, was noch kommt - und da kommt so einiges! Beste Freunde? Wohl dem, der wirklich welche hat!

Lesen!
Unbedingt lesen!

 


Von Hexenmeistern, schwarzer Magie, Geheimlogen und wilden Naturphilosphen.

Matt Ruff: "Lovecraft Country" (Verlag Hanser) | 21.4.2018
Da isser wieder! Der gute alte Matt Ruff - in Bestform. Wer "Fool on the Hill" oder "Matrix" mochte, verrückte Geschichten zwischen Thomas Pynchon und T. C. Boyle liebt, kann sich auf Atticus und Monroe Turner, Gehilfin Letitia und Bösewicht Caleb Braithwhites freuen! Caleb ist Nachkomme einer rassistischen Geheimloge und erhebt Anspruch auf die Weltherrschaft - nicht mehr und nicht weniger. Ruby, eigentlich schwarz, spioniert als weiße Schönheit, für den Adamitischen Orden der Alten Morgenröte, bevor sie merkt, dass sie in der falschen Liga spielt um noch rechtzeitig die Seite zu wechseln.  Letitia ist die Mutigste von allen und lässt  echte Schurken, Riesen und wilde Bestien richtig schön alt aussehen. Onkel George hat schon immer gewusst, wie man magische Lichtfelder bezwingt und Montrose wollte seinem Sohn eigentlich nur den ganzen Ärger ersparen... In "Lovecraft Country" im Neuengland der 1950er Jahre, wo noch immer die schärfsten Rassengesetze herrschen, hat der Ku Klux Klan seinen Ursprung und der "Safe Negro Travel Guide" das "No-go-Area"-Zeichen für alle schwarzen Amerikaner. Aber was will man machen, wenn der Vater über Nacht, genau dorthin verschwindet und eben mal die Menschheit gerettet werden muss...

Leute, lest dieses Buch! Lasst euch entführen in einen Kosmos der Absurditäten und Verschwörungstheorien. Lasst euch verzaubern, verhexen, erschrecken und belustigen. Vorhang auf für die Welt von "Lovecraft Country" - Vorhang auf für Matt Ruff! Was für ein Buch! Wer das nicht liest ist selber Schuld und hat kein Mitleid verdient.

Lesen!
Unbedingt lesen!


Zwischen gehäuteten Pferden, gestrandeten Raketen und jeder Menge Leben!

Michael Chabon: "Moonglow" (Kiepenheuer&Witsch) | 11.4.2018
Michael Chabon: "Moonglow" (Kiepenheuer&Witsch)

Endlich mal wieder ein echter Kracher, in gewohnter Chabon Manier. Wer ihn kennt, wird ihn auch dieses Mal lieben und wer nicht, sollte Michael Chabon spätestens jetzt kennen lernen!

Während in Berlin die Mauer ihren Geist aufgibt, entweicht im fernen
Amerika, der große Geist von Chabons Opa (in Wahrheit sein Großonkel). Am Sterbebett sitzend, lässt Enkel Michael sich vom Großvater, der auf den letzten Lebensmetern sein grummeliges Schweigen bricht, gründlich über die wahre Geschichte der Familie aufklären. Und die hat es in sich - so sehr, dass er beschließt, ein Buch darüber zu schreiben. Vom Unglück des zweiten Weltkrieges und den Folgen für die Familie Chabon und die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Glück für uns!

Eine wilder Ritt durch die Welt der verrückt gewordenen Großmutter, mit falscher Identität, Angst vor gehäuteten Pferden und Hang zu brennenden Bäumen. Eine unglaubliche Geschichte über einen  Großvater, der fast eine Brücke in die Luft gesprengt und beinahe einen Mord begangen hätte (aus guten Gründen versteht sich), mit großer Schwäche für die verwirrte Großmutter, Glenn Miller und die gewaltige Saturn V (die Rakete, der Apollo-Mission zum Mond!). Diese Rakete, in Nordhausen produziert und mit schrecklichen Gräueltaten verbunden, lässt den Großvater, auf der Suche nach deren Konstrukteur
Wernher von Braun, niemals in Ruhe. Zwischendurch sitzt er in einem humanen Knast, wo man sich frei bewegen, gärtnern und alte Radios reparieren darf, rettet einem "nichtnazi Nazi" das Leben und jagt Schlangen, die fette Katzen fressen (oder umgekehrt). 15 Jahre nach dem Tod der verrückten Großmutter findet der mürrische, aber noch immer sehr attraktive Mann, in der Nachbarin eine verwandte Seele und späte, wenn auch kurze Liebe.

Charmant, bezaubernd, spitzbübisch und äußerst facettenreich wird hier ein ganzes Jahrhundert aufgeblättert. Eine Familiengeschichte erzählt, die verrückter (im wahrsten Sinne des Wortes) nicht sein könnte. Hat das einen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen! Ich verneige mich vor dem großartigen Autor. So müssen gute Bücher sein!

Lesen!
Unbedingt lesen!
Und alle anderen "Chabons" gleich hinterher!


"Sexual Healing"

Garth Greenwell: "Was Zu Dir Gehört" (Hanser Berlin) | 31.3.2018

Garth Greenwell: "Was Zu Dir Gehört" (Hanser Berlin)Ein Amerikaner, als Lehrer und Expatriate für einige Jahre in Sofia, lernt den jungen, charismatischen Mitko kennen. Im Untergrund, der versifften öffentlichen Kulturpalasttoiletten, treffen die beiden aufeinander. Der Gestank von Pisse, Schweiß und Zigarettenrauch drängt sich dem Leser förmlich auf und lässt ihn verstehen, dass Mitko, ohne große Überlegung, in die Wohnung des Amerikaners mitgenommen wird. Der Expat zahlt für Mitkos Liebesdienste nicht immer nur mit Geld und gerät schnell in eine sexuelle Abhängigkeit.

Während Mitko immer wieder für längerer Zeit verschwindet und sich verliert, verliert sich der Lehrer, sehnsüchtig wartend, in Erinnerungen an seine Kindheit. In den Südstaaten aufgewachsen und traditionell verhaftet, merkt der Junge schon früh, dass er anders ist, anders fühlt, anders liebt. Seine Vergangenheit ist geprägt von Angst und Scham. Der beste Freund verrät ihn, der Vater entsagt ihm jegliche Liebe und stößt ihn rüde zurück, als er merkt, dass mit seinem Sohn "was nicht stimmt"... Nach einem gescheiterten "Selbstheilungsversuch" verlässt er seine Familie. Zurückweisungen und permanente Verlustängste bestimmen das Leben des Expats und lassen weder Glück noch Zufriedenheit zu.

Traurig, sehr traurig dieses Buch! Ist irgendwie kein Ausweg in Sicht. Kein Fünkchen Hoffnung, kein Schimmer am Horizont.

Und trotzdem: ein großartiges, sehnsüchtiges und sehr eindringliches Buch.

Lesen!


Schwule Sau - wer nicht hetero fickt, ist krank!

Garrard Conley, "Erased Boy" (Verlag Secession) | 21.3.2018

Garrard Conley: "Erased Boy" (Verlag Secession)"Bible Belt" Arkansas 2003.

Der achtzehnjährige Garred wird gegen dessen Willen, vor seinen Eltern, geoutet. Ein Kommilitone, selbst schwul und sexuell übergriffig, lässt seinen vermeintlichen Freund ins offene Messer, der amerikanischen Spießbürger rennen und öffnet dem "netten Jungen von nebenan" das Tor zur Hölle. Als Sohn eines Baptistenpredigers wird Garret vom Vater zu einer Konversionstherapie gezwungen. Dort ist alles versammelt, was in den Augen der Gesellschaft falsch ist.

"Sodom und Gomorra" der Neuzeit auf Exorzistenkurs.

Während Garred von seiner Homosexualität "geheilt" werden soll, verliert er sich immer tiefer in die Frage der Auslöschung. Was gilt mehr? Sein inneres oder sein äußeres Leben? Woher dieser junge Mann am Ende die Kraft und das Verständnis für Menschen nimmt, die ihm so viel Schmerz zugefügt haben, ist unklar - aber auch irgendwie beruhigend. Inmitten dieser kalten, verrohten und bigotten Gesellschaft lässt sich die Liebe nicht ausmerzen. Im heutigen Amerika kann man alles haben und machen, wenn man nur damit einverstanden ist. Sich gegenseitig totschießen oder von einem Verrückten regieren lassen - kein Problem. Nur schwarz sollte man nicht sein und auf gar keinen Fall schwul. Was nicht passt, wird passend gemacht oder eliminiert - und immer schön "im Namen Gottes"! So geht Fundamentalismus.

Eine autobiografische Erzählung. Das ist (leider) alles wahr und erst durch Schreiben des Buches konnte Garrard sich aus "Dantes neun Kreisen" befreien - mehr oder weniger.

Krasses Buch! Nix für Ponyhöfler und Liebesgeschichtenverschlinger.

Für alle anderen:
Lesen!
Unbedingt lesen!


"Schwarzindien" am Mondsee

Arno Geiger: "Unter der Drachenwand" (Verlag Hanser) | 7.3.2018

Arno Geiger: "Unter der Drachenwand" (Verlag Hanser)Im letzten Kriegsjahr kommt Veit Kolbe an den kleinen Ort Mondsee, in der Nähe von Salzburg, um seine Kriegsverletzungen zu kurieren. Dort lernt der junge Mann Menschen kennen, die unterschiedlicher nicht sein können. Endlich zur Ruhe kommend und längst nicht mehr vom Krieg überzeugt, kann Veit durch Alltägliches und eine Herzensangelegenheit, die schrecklichen Frontereignisse für kurze Zeit verdrängen.

Doch Krieg, Leid und menschliche Verrohung  finden nicht nur an der Front statt. Während der "Brasilianer" das Maul nicht halten kann (und will) und sagt, was viele denken oder gar wissen, ein Mädchen, sich dem lieblosen Drill des Landschulheims entzieht, Veit und Margot ihre Liebesbeziehung versuchen zu verheimlichen, geschehen schlimme Dinge im Dorf. Und die Anhänger des Führers lassen ihre Muskeln spielen.

Unterdessen entscheidet sich eine jüdische Familie für das falsche Land, schreibt eine Mutter ihrer Tochter unentwegt Briefe, die so absurd sind, wie die gesamte Gemengelage und mehr über den Zustand der Nation aussagen, als jeder Propagandaversuch. Während über Darmstadt, Salzburg, Wien oder Berlin die Bomben fallen, versucht Veit am Mondsee, sich verlorene Lebenszeit zurück zu holen. Doch noch ist der Krieg nicht zu Ende. Und obwohl die Verletzungen längst nicht verheilt sind, kommt ein neuer Einberufungsbefehl...

Eine Geschichte über die Liebe in dunklen Zeiten. Eine Geschichte über das kollektive Leiden, einer Bevölkerung, die sich auch kurz vor Kriegsende kaum eines besseren belehren lässt. Eine Geschichte über das Wegschauen und eine Geschichte über die Frage, wie das Leid in die Welt kommt und warum unsere Eltern und Großeltern sind, wie sie sind. Eine Geschichte über die Absurdität des Krieges.

Lesen!
Unbedingt lesen!