Michael Ostrowski: "Der Onkel" (Verlag Rowohlt) | 15.11.2022
Weil Bruder Sandro im Koma liegt, kehrt Mike nach siebzehn Jahren Abstinenz in den Schoß der Familie zurück. Kein Dach überm Kopf, auf der Flucht vor den abgezockten Geldeintreibern und pleite eh, bis auf die weißen Lederboots. Passt!
Der Gattin Gloria unter die Arme greifen (oder sonstwo hinlangen), die verzogenen Rotzgören unter die kriminellen Fittiche nehmen, sich im schicken Haus mit Pool ausbreiten. Ganz nach Mikes Geschmack. Und wo der hintritt, da wächst kein Gras mehr. Nicht beim Spießerbullen Udo gegenüber und auch sonst bleibt kein Stein auf dem anderen. Während der Mike das Leben der "gschissenen Bagage", die ihm schon immer auf die Tatzen gegangen ist, auseinandernimmt, kommt kriminelle Energie von allen Seiten. Nichts ist, wie es scheint, und betrogen wird, dass sich die Balken biegen. Der komatöse Bruder hat allerhand Leichen im Keller, die Mike ganz fix in Cash umzuwandeln gedenkt. Irgendwann kennt sich keiner mehr aus und eine irre Talfahrt nimmt ihren Lauf. Es wird hoch gepokert, gelogen, gewatscht, gepudert und geschnackselt, gesoffen und ordentlich "Schnee geschaufelt". Doch auch Mike hat ein Herz. Und das ist Trumpf! Und so geht sich am Ende doch noch alles ganz gut aus. Jedenfalls wenn man es aus der richtigen Perspektive betrachtet. So wie die Geschichte mit dem Habicht im Hühnerstall ... Kennen Sie nicht? Na dann: Gemma!
Herrlich! Großartig! Völlig irre und absurd - ein Trip im Ford Escort durch die Siebziger Jahre. Das fetzt!
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Unbedingt lesen!
Cormac McCarthy: "Der Passagier" (Verlag Rowohlt) | 29.10.2022
1980 in Mississippi: Ein Bergungstaucher, ein Flugzeugfrack, ein Passagier der in den Tiefen des Ozeans abhanden gekommen ist. Zwerge und Schimären, ein fehlender Flugschreiber und das FBI. Eine Irrenanstalt und der gesamte Kosmos paralleler Welten. Eine unmögliche Liebe und die Frage, ob Trauer jemals aufhört. Die Erfindung der Atombombe, der Wunsch nach Moral und die Gewissheit, dass der Mensch sein eigener schlimmster Feind ist und jeder nur Passagier auf einem Flug, einem Ritt durch die Zeit . Das Leben ist kurz. Carpe diem.
Den Berufstaucher Bobby Western lässt McCarthy durch alle Höhen und Tiefen des Lebens gehen, auf der Suche nach Wahrheit, Vergebung und dem Sinn des Lebens. Gibt es die bestmögliche aller Welten? Stellt Wissenschaft oder Zufall dem Leben die Weichen?
Heiliger Bimbam! Ist das ein irres Buch! Bisschen Thomas Pynchon, bisschen Foster Wallace und jede Menge Cormac McCarthy. Schön abgründig und düster. Herrlich schräg und abgedreht. Großartig übersetzt von Nikolaus Stingl. Dieser Teufelskerl McCarthy schickt uns einmal quer durch die Hölle. Vom lärmenden New Orleans, auf verlassene Ölplattformen über dunkle Landstraßen und sumpfige Einöden. Eine rauschhafter Trip durch unwegsame Landschaft und menschliches Bewusstsein.
Und der zweite Teil folgt bald! Ich kann es kaum erwarten!
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Unbedingt lesen!
Castle Freeman:"Ein Mann mit vielen Talenten" (Verlag Hanser) | 27.10.2022
Mal als Dandy, mal als Lude oder reicher Edelmann verkleidet, kommt der schlitzohrige Dangerfield in die Einöde des Vermonter Hinterlands - um sich die Seele von Langdon Taft zu schnappen. Der eigenbrötlerische Alkoholiker und ehemalige Lehrer steckt fest in der Sackgasse des Lebens und hat die Schnauze gestrichen voll. Von sich selbst und allem, was von seinem armseligen Dasein noch übrig geblieben ist. Da kommt ihm der Abgesandte des Gehörnten mit seinem verführerischen Angebot gerade recht. Noch sechs Monate und dann ist Schluss mit lustig. Dafür darf er sich alles wünschen, darf machen, was er schon immer tun wollte. Nichts ist unmöglich! Dangerfield stattet ihn mit "diversen Talenten" aus, die Taft nochmal so richtig auf Kurs bringen. Doch statt Frauen, Geld und noch mehr Alkohol, wird Taft abstinent, überrascht sich und alle, die schon seit Jahren einen großen Bogen um ihn machen. Er befreit das Tal von geführchteten Schlägertypen und Bösewichten, rettet Leben, schickt windige Immobilienhaie in die Wüste und schreckt auch sonst vor keiner guten Tat zurück. Und hat jede Menge Spaß dabei! Dem Teufel passt das gar nicht und Dangerfield und seine Handlanger scheitern kläglich. Wie sich der faustsche Pakt nach abgelaufener Zeit in Luft auflöst und Taft dem Teufel ein Schnippchen schlägt, ist so großartig, dass es einem vor Lachen die Schuhe auszieht. In den Wäldern von Vermont jedenfalls hat das Böse keine Chance. Herrlich! Himmlisch! Ein Heidenspaß! Und so unglaublich gut von Dirk van Gunsteren übersetzt! Ganz, ganz großes Kino auf nur 175 Seiten! Überirdisch!
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Unbedingt lesen!
Ian McEwan:"Lektionen" (Verlag Diogenes) | 16.10.2022
Wie wäre Rolands Leben verlaufen, wäre nicht die erste Lektion ein jugendlicher Missbrauch gewesen? Hätte er eine andere Frau geheiratet und kein Kind großgezogen? Der Klavierlehrerin und Mozart treu geblieben anstatt Jazz und "Mampfmucke" zu spielen? Und was wäre ohne die Lektionen im Internat aus ihm geworden? Hätte er seine Eltern retten können, die die Familie in das brüchige Fundament einer großen Lebenslüge eingebettet haben? Und wie wäre die Welt ohne alle politischen Fehlentscheidungen, Kriege, Umstürze, und digitalen Fortschritt? Alles hängt mit allem zusammen, nichts ist wirklich planbar. Alles passiert, weil es passieren muss. Wenn man Glück hat trifft man mitunter richtige Entscheidungen, doch ein winziger Schritt in die falsche Richtung, kann fatale Folgen haben...Von der "Weißen Rose" über die Kuba Krise den Falklandkrieg bis hin zu Kulturrevolution, Pandemie und Klimawandel schlägt McEwan den großen Bogen eines ganzen Jahrhunderts. Es gibt Krieg und Frieden, Liebe und Verrat, große Glücksmomente und tragische Verwicklungen. Wie im Fieber rast man durch die Seiten, blättert wieder zurück, will kein Wort überspringen, keine Zeile verlieren. Ist froh und traurig zugleich, hofft und bangt und wünscht, dass es sich gut ausgeht. Will nicht dass es aufhört und sehnt doch das Ende herbei um endlich aufatmen zu können. Denkt noch lange darüber nach, nicht ohne sein eigenes Leben unter die Lupe zu nehmen.
Was für ein Buch! Ein Wahnsinn! Das braucht die Welt und jeder einzelne Leser!
Noch ein Buch des Jahres!
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Unbedingt lesen!
Karen Duve:"Sisi" (Verlag Galiani Berlin) | 26.9.2022
Elisabeth, Kaiserin von Österreich-Ungarn war wohl die schönste Frau, die Europa im 19. Jahrhundert zu bieten hatte. Und sie war wild, launisch und immer auf Krawall gebürstet. Nie vom Volk so verehrt wie oft behauptet, da sie eher bei ihren "Viechern" zu finden war, als Gemälde zu enthüllen und lieber auf die Jagd ging, als sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen zu langweilen. Sie war mutig genug eine Cholera-Station zu besuchen und wiederum eine große Angsthäsin, die das Alter fürchtete und ab dreißig keine Porträts mehr von sich anfertigen ließ. Sie fühlte sich am wohlsten in einfacher Reitgarnitur und war doch so eitel, dass sie beim Sprechen kaum den Mund öffnete, wegen ihrer nicht ganz weißen Zähne. "Nuscheln" war en vogue und (wer weiß) verhinderte vielleicht so manche Streitigkeit bei Hofe, da nicht immer so ganz genau verstanden wurde, was gemeint war. Sisi tat alles um ihren Körper schön, jung und strahlend zu halten, riskierte aber ohne mit der Wimper zu zucken, ihr Leben bereitwillig für den kühnsten Sprung mit ihrem Lieblingspferd. Sie war wohl die beste Reiterin ihrer Zeit - der viele Männer nicht das Wasser reichen konnten. Sie war liebevoll und grausam zugleich, konnte Verschwörungen für die Liebe anzetteln und Ränke dagegen schmieden. Und wehe, eine hübsche Nebenbuhlerin kam Majestät in die Quere...
Wow! DAS ist mal eine Sisi-Variation. Großartig erzählt, so unterhalsam und einzigartig, wie nur Frau Duve über die Frauen der Geschicht schreiben kann. So herrlich grotesk, mal erschreckend und dann wieder herzerweichend und zum Brüllen komisch. Sehr bereichernd allemal und besser als jeder Film! Diese Sisi hätte Romy Schneider sicher noch lieber gespielt!
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Unbedingt lesen"
Alain Claude Sulzer:"Doppelleben" (Verlag Galiani Berlin) | 19.9.2022
Die Brüder Edmond und Jules Goncourt fühlen sich nach dem Tod der Mutter für immer gegenseitig verpflichtet. Um aufeinander aufzupassen, versagen sie sich den Stand der Ehe, teilen Haus und Garten, Geliebte und Freunde miteinander. Vermögend und ohne Sorgen widmen sie sich ganz den schönen Künsten. Jules malt, Edmond schreibt. Tagebücher und Gesellschaftsromane fließen unaufhörlich aus ihrer Feder. Auch Jules verlegt sich bald ausschließlich aufs Schreiben. Als ihre langjährige Hausangestellte stirbt und sie von deren Doppelleben erfahren, eine Parallelwelt aus Leid und Schmerz, Betrug und Prostitution verfassen die Brüder, erstaunt und fasziniert, einen einzigartigen Roman über die Welt der Unterschicht. Emile Zola, als einziger begeistert von solch offener, nahezu brutaler Bestandsaufnahme einer ihnen gänzlich fremden Lebensweise, erklärt den Roman zum eppochalen Werk, der den moderenen, literarischen Tendenzen Rechnung trägt. Jules erkrankt früh an Syphilis, wird nicht älter als neununddreißig Jahre und lässt einen ewig trauernden Bruder zurück. 1870 unterliegen die Franzosen den Preußen, der Krieg ist zu Ende doch Ränke zwischen den Pariser Kommunarden und regierungstreuen Truppen, lassen das Leben in und um Paris nicht zur Ruhe kommen. Es fehlt an allem und was nicht unbedingt lebensnotwendig ist, wird veräußert. Dennoch gelingt es Edmond die Villa zu halten, den künstlerischen Schatz seines Bruders zu bewahren und zu seinen Ehren einen Literaturpreis zu stiften. Der Prix Goncourt ehrt noch heute den besten französichsprachigen Roman des Jahres.
Was für ein praller, kraftvoller Roman. Ein Zeit- und Sittenporträt des 19. Jahrhunderts von Flaubert bis Zola. Fein und elegant geschrieben, sehr erhellend und anhand der "Goncourtschen" Tagebücher von großer Wahrhaftigkeit. Ein literarischer Genuß!
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Unbedingt lesen!
Lize Spit."Ich bin nicht da" (Verlag S. Fischer) | 14.9.2022
Es fängt alles ganz harmlos an. Ein Tattoo hinters Ohr gestochen, bringt Simon auf eine neue Idee von sich selbst. Den sicheren Job als Grafiker wirft er über Bord, um selbstständig "einzigartige Vorlagen zur Körperkunst" zu entwerfen. Freundin Leo glaubt, Simon gut genug zu kennen um zu wissen, dass auch dieser Flitz schnell vorbeigeht. Von wegen! Täglich erfindet sich Simon neu, kreiert wirre Kunstwerke aus Linien und Punkten, taucht ab in einer Illusion, wird manisch depressiv und zieht alle und alles um ihn herum in ein schwarzes Loch. Nachdem die erste Psychose in einer Klinik behandelt wird, hofft Leo ihren alten Simon zurückzubekommen. Doch weit gefehlt. Noch während der Rekonvaleszenz,unter falscher Medikamentierung, dreht Simon erst richtig auf und dann völlig durch. Glaubt an eine große Verschwörung gegen ihn, sieht überall Überwachungsameras, jeder Straßenarbeiter ist ein Spion auf Beobachtungsposten. Als die besten Freunde Eltern einer kleinen Tochter werden, wähnt Simon einen außerirdischen Angriff zum Zweck seiner Vernichtung. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf und lässt ihn einen kruden Plan schmieden...
Wie sehr Ereignisse aus Kindheit und Jugend prägen und was passieren kann, wenn immer alles nur verdrängt und geschluckt wird, liest sich hier nahezu vorbildlich. Irgendwann stehts einem bis zum Hals, will raus und manch einer hört nicht mehr auf zu kotzen.
Krasses Ding! Nichts für sanfte Gemüter, werdende Eltern und Tierfreunde! Wer sich nicht vor gemeuchelten Katzen, entführten Säuglingen und unheilbringenden Steckdosen fürchtet, sollte diesen "Versuch über die Psychologie eines Menschen" lesen!
Unbedingt lesen!
Jennifer Egan:"Candy Haus" (Verlag S. Fischer) | 5.9.2022
Was ist Erinnerung? Was erinnern wir wirklich, wenn wir alle romantischen Verklärungen mal außen vor lassen? Und welchen Nutzen haben Erinnerungen? Bix Bouton hat eine App entwickelt, die alles speichert, was gewesen ist. Mittels Elektroden lässt sich das ganze Leben einfach in einem Cube speichern, ist jederzeit abrufbar. Einziges Problem: sobald man die Erinnerung im Netz hochgeladen hat, ist alles öffentlich. Und kann äußerst unangenehm werden... Das ruft die Renegaten auf den Plan, die Verweigerer jeglichen Kollektivbewussseins. Es gibt eingepflanzte " Asseln", die das Denken beeinflussen und Proxys und Gray Gabs, die als Hologramme funktionieren...aber keine Bange: das ist kein Siencefiction Roman! Das ist eine rauschhafte Tour de Force durch das schillernde Amerika. Von New York bis in die Wüste, durch Chicago und Los Angeles. Von der Beatniks-Generation, die sich in Musik und Drogen verloren (oder gefunden) hat bis hin zum optimierten digitalen Leben 3.0: faltenfrei, rauchfrei, spaßfrei.
Dabei wollen alle eigentlich nur Geborgenheit und Liebe, einen Platz an den sie gehören. Ein Stück vom Glück, ein Zipfelchen vom "süßen Haus". Doch wie bei Hänsel und Gretel hat jeder Zuckerwürfel seinen Preis...
Hallelujah! Da ist sie wieder! Die einzig wahre Jennifer Egan! Und das Personal aus "Der größerer Teil der Welt" - mehr oder weniger jedenfalls. Aber auch ohne das erste und beste (Pulitzer Price, National Book Critics Circle Award...) Buch gelesen zu haben (was man unbedingt tun sollte!) ist "Candy Haus" wieder ganz großes Kino. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Clash der Kulturen und diverser Lebensmodelle. Total irre und absolut mitreißend. Dieses Buch macht süchtig!
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Unbedingt lesen!
Giulia Caminito:"Das Wasser des Sees ist niemals süß" (Verlag Wagenbach) | 30.8.2022
Ihr Leben sieht Gaia als "Müllhalde der Reichen, die ihrer Sachen überdrüssig geworden sind". Die Familie ist arm und lebt von dem, was andere nicht mehr brauchen. Illegal, unterm Radar der Wohnungsgesellschaft, wohnt sie in einem Haus voller Schaben und Schimmel, im Hof die benutzten Spritzen der Junkies. Der Vater sitzt nach einem Arbeitsunfall im Rollstuhl,die Mutter arbeitet nahezu rund um die Uhr, ist stolz, streng und unnachgiebig. Hält zusammen, was täglich auseinanderzubrechen droht. Sohn Mario ist ein anarchistischer Nichtsnutz, die Zwillinge zu klein, um das Dilemma der Familie zu verstehen. Gaia, ist wütend, unangepasst, lässt nichts und niemand an sich heran. Penedrant erwirkt Mutter Antonia beim Sozialamt einen Wohnungswechsel in eine bessere Gegend, am Rande Roms und ermöglicht Gaia den Besuch einer guten Schule. Zwingt ihre Tochter, sich Bildung anzueignen. Gaia ist klug, lernt wie verrückt, verschafft sich Respekt und Anerkennung, geht verbissen ihren Weg, der eigentlich Antonias Traum eines besseren Lebens ist. Zum Trotz und als Akt der Rache, studiert Gaia Philosophie. Doch damit ist "kein Blumentopf zu gewinnen" noch nicht mal eine Stelle in einer Fleischerei zu ergattern. Nur die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer da war und niemals aufhören wird. Ohne Liebe und die Fähigkeit empathisch zu sein, nutzt auch die beste Bildung nichts. Am Ende scheitert Gaia an sich selbst und dem Unvermögen dem Leben eine Chance zu geben.
Sehr deprimierend aber unglaublich gut! So wahnsinnig spannend zu lesen, was dieses ungestüme Mädchen, die Tochter, die Freundin eines Jungen, die beste Freundin einer Gleichgesinnten, die Schülerin, die Studentin...sich selbst und anderen alles zumutet. Ein Buch über prekäre Verhältnisse? Ja aber auch ein Buch über Mut und Stolz und das Scheitern einer vermeintlichen Wohlstandsgesellschaft.
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Unbedingt lesen!
Charles Lewinsky: "Sein Sohn"(Verlag Diogenes)) | 26.8.2022
Die Geschichte ist schnell erzählt: Als Säugling wird Louis Chabos in einem mailändischen Kinderheim "verklappt". Mutter unbekannt, Vater abgehauen. Das Kost- und Schulgeld allerdings für Jahrzehnte im Voraus bezahlt. Merkwürdig! Während Louis heranwächst, als Kind täglich verdroschen und gepiesackt wird, gibt es immer einen, der ein Auge auf ihn hat. Bald lernt der Junge sich zu wehren und sich nichts mehr gefallen zu lassen, verlässt das Heim, will Soldat werden. Und kommt vom Regen in die Traufe. Unter Napoleon verliert er drei Finger, den Glauben an das Gute und fast seinen Verstand. Doch wie Hans im Glück hat er immer wieder ein Tauschgeschäft auf Lager, findet Menschen, die ihm wohlgesonnen sind, sein gutes Herz und seine reine Seele erkennen. Kurz findet er eine Art Glück und macht seinen Frieden mit sich und der Welt. Wird Weingutbesitzer, Ehemann, Vater und Teil einer Familie, die es gut mit ihm meint. Aber da ist etwas, das an ihm nagt und ihn am Ende zu Fall bringt. Wer ist er? Wo kommt er her? Während die Mutter zu finden war , was unerquicklicher nicht hätte sein können, bleibt der Vater noch diffus. In Paris kommt Louis auf die Spur seiner unglaublichen Abstammung. Verliert sich in kriminellen Machenschaften, lässt sich von der trügerischen Schönheit einer gefährlichen Stadt blenden und steht "am End' als armer Tor und ist so schlau als wie zuvor"...
In ganz kurzen Sätzen erzählt Lewinsky eine atemberaubende, traurige, äußerst spannende Geschichte über Heimat und Herkunft. So kurz sind die Sätze, dass man sich erstmal daran gewöhnen muss. Zack, zack, zack kommen die Fakten schörkelos auf den Tisch und werden einem fast ungeschliffen um die Ohren gehauen. Da gibt es kein literarisches Geschwurbel. Doch nach kurzer Zeit ist man dermaßen gefangen, leidet, lacht sich eins ins Fäustchen und kann partout nicht verstehen, warum dieser schlaue Kerl einfach keine Ruhe gibt. Und alles wissen will. Egal um welchen Preis. Oder versteht man es nur zu gut?
Dolles Ding!
Lesen!
Unbedingt lesen!