Kaiserlicher Gossip.

Karen Duve:"Sisi" (Verlag Galiani Berlin) | 26.9.2022
Elisabeth, Kaiserin von Österreich-Ungarn war wohl die schönste Frau, die  Europa im 19. Jahrhundert zu bieten hatte. Und sie war wild, launisch und immer auf Krawall gebürstet. Nie vom Volk so verehrt wie oft behauptet, da sie eher bei ihren "Viechern" zu finden  war, als Gemälde zu enthüllen und lieber auf die Jagd ging, als sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen zu langweilen. Sie war mutig genug eine Cholera-Station zu besuchen und wiederum eine große Angsthäsin, die das Alter fürchtete und ab dreißig keine Porträts mehr von sich anfertigen ließ. Sie fühlte sich am wohlsten in einfacher Reitgarnitur  und war doch so eitel, dass sie beim Sprechen kaum den Mund öffnete, wegen ihrer nicht ganz weißen Zähne.    "Nuscheln" war en vogue und (wer weiß) verhinderte vielleicht so manche Streitigkeit bei Hofe, da nicht immer so ganz genau verstanden wurde, was gemeint war. Sisi tat alles um ihren Körper schön, jung und strahlend zu halten, riskierte aber ohne mit der Wimper zu zucken, ihr Leben bereitwillig für den kühnsten Sprung mit ihrem Lieblingspferd.  Sie war wohl die beste Reiterin ihrer Zeit - der viele Männer nicht das Wasser reichen konnten. Sie war liebevoll und grausam zugleich, konnte Verschwörungen für die Liebe anzetteln und Ränke dagegen schmieden. Und wehe, eine hübsche Nebenbuhlerin kam Majestät in die Quere...
Wow! DAS ist mal eine Sisi-Variation. Großartig erzählt, so unterhalsam und einzigartig, wie nur Frau Duve über die Frauen der Geschicht schreiben kann. So herrlich grotesk, mal erschreckend  und dann wieder herzerweichend und zum Brüllen komisch. Sehr bereichernd allemal und besser als jeder Film! Diese Sisi hätte Romy Schneider sicher noch lieber gespielt!
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Unbedingt lesen"

Die Unzertrennlichen!

Alain Claude Sulzer:"Doppelleben" (Verlag Galiani Berlin) | 19.9.2022
Die Brüder Edmond und Jules Goncourt fühlen sich nach dem Tod der Mutter für immer gegenseitig verpflichtet. Um aufeinander aufzupassen, versagen sie sich den Stand der Ehe, teilen Haus und Garten, Geliebte und Freunde miteinander. Vermögend und ohne Sorgen widmen sie sich ganz den schönen Künsten. Jules malt, Edmond schreibt. Tagebücher und Gesellschaftsromane fließen unaufhörlich aus ihrer Feder. Auch Jules verlegt sich bald ausschließlich aufs Schreiben. Als ihre langjährige Hausangestellte stirbt und sie von deren Doppelleben erfahren, eine Parallelwelt aus Leid und Schmerz, Betrug und Prostitution verfassen die Brüder, erstaunt und fasziniert, einen einzigartigen Roman über die Welt der Unterschicht. Emile Zola, als einziger begeistert von solch offener, nahezu brutaler Bestandsaufnahme einer ihnen gänzlich fremden Lebensweise, erklärt den Roman zum eppochalen Werk, der den moderenen, literarischen Tendenzen Rechnung trägt. Jules erkrankt früh an Syphilis, wird nicht älter als neununddreißig Jahre und lässt einen ewig trauernden Bruder zurück. 1870 unterliegen die Franzosen den Preußen, der Krieg ist zu Ende doch Ränke zwischen den Pariser Kommunarden und regierungstreuen Truppen, lassen das Leben in und um Paris nicht zur Ruhe kommen. Es fehlt an allem und was nicht unbedingt lebensnotwendig ist, wird veräußert.  Dennoch gelingt es Edmond die Villa zu halten, den künstlerischen Schatz seines Bruders zu bewahren und zu seinen Ehren einen Literaturpreis zu stiften. Der Prix Goncourt ehrt noch heute den besten französichsprachigen Roman des Jahres.
Was für ein praller, kraftvoller Roman. Ein Zeit- und Sittenporträt des 19. Jahrhunderts von Flaubert bis Zola. Fein und elegant geschrieben, sehr erhellend und anhand der  "Goncourtschen" Tagebücher  von großer Wahrhaftigkeit. Ein literarischer Genuß!
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Unbedingt lesen!

American Psycho light!

Lize Spit."Ich bin nicht da" (Verlag S. Fischer) | 14.9.2022
Es fängt alles ganz harmlos an. Ein Tattoo hinters Ohr gestochen, bringt Simon auf eine neue Idee von sich selbst. Den sicheren Job als Grafiker wirft er über Bord, um selbstständig "einzigartige Vorlagen zur Körperkunst"  zu entwerfen. Freundin Leo glaubt, Simon gut genug zu kennen um zu wissen, dass auch dieser Flitz schnell vorbeigeht. Von wegen! Täglich erfindet sich Simon neu, kreiert wirre Kunstwerke aus Linien und Punkten, taucht ab in einer Illusion, wird manisch depressiv und zieht alle und alles um ihn herum in ein schwarzes Loch. Nachdem die erste Psychose in einer Klinik behandelt wird, hofft Leo ihren alten Simon zurückzubekommen. Doch weit gefehlt. Noch während der Rekonvaleszenz,unter falscher Medikamentierung, dreht Simon erst richtig auf und dann völlig durch. Glaubt an eine große Verschwörung gegen ihn, sieht  überall Überwachungsameras, jeder Straßenarbeiter ist ein Spion auf Beobachtungsposten. Als die besten Freunde Eltern einer kleinen Tochter werden, wähnt Simon einen außerirdischen Angriff zum Zweck seiner Vernichtung. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf und lässt ihn einen kruden Plan schmieden...
Wie sehr Ereignisse aus Kindheit und Jugend prägen und was passieren kann, wenn immer alles nur verdrängt und geschluckt wird, liest sich hier nahezu vorbildlich. Irgendwann stehts einem bis zum Hals, will raus und manch einer hört  nicht mehr auf zu kotzen.
Krasses Ding! Nichts für sanfte Gemüter, werdende Eltern und Tierfreunde! Wer sich nicht vor gemeuchelten Katzen, entführten Säuglingen und unheilbringenden Steckdosen fürchtet,  sollte diesen "Versuch über die Psychologie eines Menschen" lesen!
Unbedingt lesen!

Be kind, rewind!

Jennifer Egan:"Candy Haus" (Verlag S. Fischer) | 5.9.2022
Was ist Erinnerung? Was erinnern wir wirklich, wenn wir alle romantischen Verklärungen mal außen vor lassen? Und welchen Nutzen haben Erinnerungen? Bix Bouton hat eine  App entwickelt, die alles speichert, was gewesen ist. Mittels Elektroden lässt sich das ganze Leben einfach in einem Cube speichern, ist jederzeit abrufbar. Einziges Problem: sobald man die Erinnerung im Netz hochgeladen hat, ist alles öffentlich. Und kann äußerst unangenehm werden... Das ruft die Renegaten auf den Plan, die Verweigerer jeglichen Kollektivbewussseins. Es gibt eingepflanzte " Asseln", die das Denken beeinflussen und Proxys und Gray Gabs, die als Hologramme funktionieren...aber keine Bange: das ist kein Siencefiction Roman! Das ist eine rauschhafte Tour de Force durch das schillernde Amerika. Von New York bis in die Wüste, durch Chicago und Los Angeles. Von der Beatniks-Generation, die sich in Musik und Drogen verloren (oder gefunden) hat bis hin zum optimierten digitalen Leben 3.0: faltenfrei, rauchfrei, spaßfrei.
Dabei wollen alle eigentlich nur Geborgenheit und Liebe, einen Platz an den sie gehören. Ein Stück vom Glück, ein Zipfelchen vom "süßen Haus". Doch wie bei Hänsel und Gretel hat jeder Zuckerwürfel seinen Preis...
Hallelujah! Da ist sie wieder! Die einzig wahre Jennifer Egan! Und das Personal aus "Der größerer Teil der Welt" - mehr oder weniger jedenfalls. Aber auch ohne das erste und beste (Pulitzer Price, National Book Critics Circle Award...) Buch gelesen zu haben (was man unbedingt tun sollte!) ist "Candy Haus" wieder ganz großes Kino. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Clash der Kulturen und diverser Lebensmodelle. Total irre und absolut mitreißend. Dieses Buch macht süchtig!
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Unbedingt lesen!

Schwäne sind keine Vögel für Teiche.

Giulia Caminito:"Das Wasser des Sees ist niemals süß" (Verlag Wagenbach) | 30.8.2022
Ihr Leben sieht Gaia als "Müllhalde der Reichen, die ihrer Sachen überdrüssig geworden sind". Die Familie ist arm und lebt von dem, was andere nicht mehr brauchen. Illegal, unterm Radar der Wohnungsgesellschaft, wohnt sie in einem Haus voller Schaben und Schimmel, im Hof die benutzten Spritzen der Junkies. Der Vater sitzt nach einem Arbeitsunfall im Rollstuhl,die Mutter arbeitet nahezu rund um die Uhr, ist stolz, streng und unnachgiebig. Hält zusammen, was täglich auseinanderzubrechen droht. Sohn Mario ist ein anarchistischer Nichtsnutz, die Zwillinge zu klein, um das Dilemma der Familie zu verstehen. Gaia, ist wütend, unangepasst, lässt nichts und niemand an sich heran. Penedrant erwirkt Mutter Antonia beim Sozialamt einen Wohnungswechsel in eine bessere Gegend, am Rande Roms und ermöglicht Gaia den Besuch einer guten Schule. Zwingt ihre Tochter, sich Bildung anzueignen. Gaia ist klug, lernt wie verrückt, verschafft sich Respekt und Anerkennung, geht verbissen ihren Weg, der eigentlich Antonias Traum eines besseren Lebens ist. Zum Trotz und als Akt der Rache, studiert Gaia Philosophie. Doch damit ist "kein Blumentopf zu gewinnen" noch nicht mal eine Stelle in einer Fleischerei zu ergattern. Nur die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer da war und niemals aufhören wird. Ohne Liebe und die Fähigkeit empathisch zu sein, nutzt auch die beste Bildung nichts. Am Ende scheitert Gaia an sich selbst und dem Unvermögen dem Leben eine Chance zu geben.
Sehr deprimierend aber unglaublich gut! So wahnsinnig  spannend zu lesen, was dieses ungestüme Mädchen, die Tochter, die Freundin eines Jungen, die beste Freundin einer Gleichgesinnten, die Schülerin, die Studentin...sich selbst und anderen alles zumutet. Ein Buch über prekäre Verhältnisse? Ja aber auch ein Buch über Mut und Stolz und das Scheitern einer vermeintlichen Wohlstandsgesellschaft.
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Unbedingt lesen!

Halbbart mit zwei Fingern.

Charles Lewinsky: "Sein Sohn"(Verlag Diogenes)) | 26.8.2022
Die Geschichte ist schnell erzählt: Als Säugling wird Louis Chabos in einem mailändischen Kinderheim "verklappt". Mutter unbekannt, Vater abgehauen. Das Kost- und Schulgeld allerdings für Jahrzehnte im Voraus bezahlt. Merkwürdig! Während Louis heranwächst, als Kind täglich verdroschen und gepiesackt wird, gibt es immer einen, der ein Auge auf ihn hat. Bald lernt der Junge sich zu wehren und sich nichts mehr gefallen zu lassen, verlässt das Heim, will Soldat werden. Und kommt vom Regen in die Traufe. Unter Napoleon verliert er drei Finger, den Glauben an das Gute  und fast seinen Verstand. Doch wie Hans im Glück hat er immer wieder ein Tauschgeschäft auf Lager, findet Menschen, die ihm wohlgesonnen sind, sein gutes Herz und seine reine Seele erkennen. Kurz findet er eine Art Glück und macht seinen Frieden mit sich und der Welt. Wird Weingutbesitzer, Ehemann, Vater und Teil einer Familie, die es gut mit ihm meint. Aber da ist etwas, das an ihm nagt und ihn am Ende zu Fall bringt. Wer ist er? Wo kommt er her? Während die Mutter zu finden war , was unerquicklicher nicht hätte sein können, bleibt der Vater noch diffus. In Paris kommt Louis auf die Spur seiner unglaublichen Abstammung. Verliert sich in kriminellen Machenschaften, lässt sich von der trügerischen Schönheit einer gefährlichen Stadt blenden und steht "am End' als armer Tor und ist so schlau als wie zuvor"...
In ganz kurzen Sätzen erzählt Lewinsky eine atemberaubende, traurige, äußerst spannende Geschichte über Heimat und Herkunft. So kurz sind die Sätze, dass man sich erstmal daran gewöhnen muss. Zack, zack, zack kommen die Fakten schörkelos auf den Tisch und werden einem fast ungeschliffen um die Ohren gehauen. Da gibt es kein literarisches Geschwurbel. Doch nach kurzer Zeit ist man dermaßen gefangen, leidet, lacht sich eins ins Fäustchen und kann partout nicht verstehen, warum dieser schlaue Kerl einfach keine Ruhe gibt. Und alles wissen will. Egal um welchen Preis. Oder versteht man es nur zu gut?
Dolles Ding!
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Unbedingt lesen!

Epidemie der Freude.

Michael Kumpfmüller:"Mischa und der Meister" (Verlag Kiepenheuer & Witsch) | 24.8.2022
Jesus besucht für eine kurze Zeit "die alte Göre Berlin" und versetzt ihre Bürger in entrückte Zustände. Alles Böse weicht von den Seelen der Heimgesuchten. In einer kurzen, traumhaften Metamorphose sind alle gleich und einander zugetan, liebevoll und großzügig.  Doch der Teufel steckt im Detail und ruft sich selbst auf den Plan. Mal als Pudel, mal als Querulant, fährt der Gehörnte in sieben verschieden Männer. So mischen sich ein Zahnarzt, ein Malermeister, ein Gebrauchtwagenhändler, ein Bezirksstadtrat, ein Theaterregisseur, ein Universitätsprofessor und ein Steuerberater  unter die Geläuterten um Gier, Neid und Missgunst zurück in die Gesellschaft zu bringen. Jesus, "der Mann der gestorben war" ist wie bei "Meister und Margarita" von Bulgakow plötzlich ganz irdisch, genießt gutes Essen, verliebt sich eine schöne Frau und lässt sich vom Leben auf die Probe stellen. Es gibt fliegende Ballköniginnen, sprechende Hunde, schwimmende Katzen und viel absurdes Zeug. Bulgakow lässt in jeder Überschrift grüßen und hat auch sonst die Zügel fest in der Hand. Wer "Meister und Margarita" gelesen hat, wird sich freuen, wer dieses Buch nicht kennt, es gleich und sofort lesen wollen. Mit Mischa, Anastasia und Onkel Wladimir wandern wir von Kreuzberg nach Mitte, über Pankow zurück nach Schöneberg und klappern nebenher legendäre Kneipen, Clubs und Cafes ab. Am Ende stellt sich die Frage, was täte das Gute, wenn das Böse nicht wäre?" Wenn die Schatten von der Erde verschwänden, wäre eben diese wohl nur ein kahles Licht", hat Voland schon in "Meister und Margarita" verkündet. Und das ist wohl wahr. Was für ein charmantes Buch! Macht Lust auf Borschtsch, Schostakowitsch und russische Literatur! Und auf eine Tour quer durch "die alte Göre Berlin".
Lesen!
Unbedingt lesen!

Wenn Mütter zu sehr lieben.

Liz Nugent:"Auf der Lauer liegen" (Verlag Steidl) | 19.8.2022
Irrland in den 1980er Jahren. Mutter Lydia räumt alles aus dem Weg, was ihrer Liebe zu Laurence, ihrem einzigen Sohn im Weg steht. Gnadenlos und mit einer Kaltblütigkeit, die einem die Schue auszieht. Schon als Kind die Zwillingsschwester "eliminiert", später einer drogensüchtigen Prostituierten den Garaus gemacht und selbst den eigenen Ehemann in den Tod getrieben. Verwöhnt, ihr Leben lang in Wohlstand gebettet, wünscht sie sich nichts anderes als ihren Lebensabend gemeinsam mit ihrem geliebten Sohn, in der schönen Villa zu verbringen. Laurence, der sich von einem fettleibigen, einsamen Kind zum gut aussehenden jungen Mann entwickelt hat, geht erste Beziehungen ein, verliebt sich und erlebt ein kurzes Glück - nicht ahnend, dass ein dunkles Geheimnis auf seiner Familie liegt. Seine Mutter, die geschickt alle Liebschaften torpediert lässt sich die Fäden nicht aus der Hand nehmen, intrigiert und geht am Ende bis zum Äußersten...
Wie einfach es ist, Schuld und Schuldgefühle auszublenden und wie schnell es geht den eigenen Verdacht auf andere zu lenken ist erschreckend und irre spannend zu lesen. Atemlos folgt man der verschlagenen Boshaftigkeit einer Übermutter, die genau weiß, an welchen Rädchen zu drehen ist. Ohne Rücksicht auf Verluste treibt sie ihr perfides Spiel. Nimmt sich was sie will, kriegt es und zerstört alles und alle, sich selbst eingeschlossen.
Krasses Buch! Kann man nicht aufhören zu lesen, ahnt schon nach der Hälfte Schlimmes. Und es kommt noch schlimmer....
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Unbedingt lesen!

Die Genealogie des Geldes.

Hernan Diaz:"Trust" (Verlag Hanser Berlin) | 4.8.2022
Am Anfang war das Geld. Und eine Geschichte. Am Ende ist das Geld noch immer da, die Geschichte jedoch fragwürdig. Wer hat das Recht eine Geschichte zu erzählen, wer wird sie glauben? Was bleibt von einer Legende? Wie wahr ist das, was wir gerne glauben wollen und wie gefährlich kann der Mythos dazu sein? Kann man sich selbst trauen? Den eigenen Werten immer treu bleiben?
Im Manhattan der 1920er Jahre steppt der Bär und der Börsenticker. Benjamin Rask, Einzelgänger und merkwürdiger Sonderling reicher Abstammung, weiß sein Vermögen ins Unermessliche zu mehren. Mit leichter Hand, klugem Kopf, Mut und einer Affinität zu Zahlen jongliert er sich in die obersten Stockwerke eines aufkommenden Finanzimperiums. Der Zufall schickt ihm eine exzentrische  junge Flapper ins Haus, die seine Frau, seine Muse und Antreiberin wird. Doch nichts ist für die Ewigkeit und alles Geld der Welt macht nicht zwingend glücklich, weiß man ja. Aber es beruhigt...
Wer war Benjamin Rask alias Andrew Bevels? Was hat seine Frau tatsächlich für eine Rolle gespielt? Welche Erzählung stimmt und wird den Menschen im Gedächtnis bleiben? Und wie war das eigentlich wirklich?
Was für ein kluges, außergewöhnliches Buch! Man taucht tief in die Finanzwelt der "Goldenen Zwanziger" ein, badet im Geld, haut Kredite raus, erlebt "schwarze Donnerstage", den ersten Börsencrash und verliert mit manch einem Haus und Hof, während andere wenige sich bereichern. Schnell sitzt man dem Trugbild der Reichen und Schönen auf, glaubt an an das feste Gefüge von Geld und Macht  und merkt verblüfft, wie einfach es sein kann, Geschichte zu schreiben. Egal ob sie stimmt oder nicht...
Das ist ein großer, ein ganz großer amerikanischer Gesellschaftsroman!
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Im Fegefeuer des Klimawandels.

Jens Liljestrand:"Der Anfang von morgen" (Verlag S. Fischer) | 27.7.2022
Das Land bzw. die Wälder brennen den Schweden unterm Hintern weg. Ganze Dörfer werden evakuiert und und wer nicht früh genug Sack und Pack und die Beine in die Hand nimmt, hat schlechte Karten. Familien verlieren sich, Transportwege werden abgeschnitten und jeder ist sich selbst der Nächste.
Didrik, der seine Familie im Geist längst aufgegeben hat, um mit der jungen, sexy Influencerin Melissa ein neues Leben zu beginnen, hat seine Lieben nun wieder am Hals. Eine letzter gemeinsamer Urlaub in der Pampa Schwedens wird zum Desaster. Die Autobatterie leer, kein "Feuer-Shuttle in Sicht, macht sich die Familie mit drei Kindern zu Fuß auf den Weg. Während eines der Kinder kurzum bei Fremden im Auto verschwindet, kommt auch Vater Didrik beim kläglichen Versuch, den Rest der Familie vor den Flammen zu schützen, abhanden. Einzig die ewig nörgelnde Teenietochter Vilja wächst über sich hinaus und nimmt die Mission in die Hand. Während die einen ums Überleben kämpfen, postet Melissa im sicheren Stockholm hübsch weiter über das gute Leben, dass sich jeder verdient hat. Doch auch sie kriegt ihr Fett weg und muss einsehen, dass es den Klimawandel wirklich gibt und sich die Frage stellen, auf welchem Planeten sie bis jetzt eigentlich gelebt hat.
Heiliger Bimbam! Was für ein krass gutes Buch! Irre spannend, man fliegt atemlos durch die Seiten, spürt die Hitze und hat den Rauch in der Nase.  Beklemmend und gefährlich nah dran, an unserer Realität. Eigentlich sind alle Protagonisten wahnsinnig unsympathisch aber irgendwie tun sie auch leid. Man kämpft mit ihnen ums Überleben und wünscht sogar Didrik, seiner verwöhnten, unreflektierten Frau und selbst der idiotischen Melissa ein gutes Ende.
Dieses Buch ist ein echter Burner. Im wahrsten Sinne des Wortes!
Lesen!
Unbedingt lesen!