Gabrielle Zevin: "Morgen Morgen und wieder Morgen" (Verlag Eichborn) | 10.4.2023
Von den 90er Jahren in Massachusetts bis in die 00er Jahre nach Kalifornien, geht die Reise drei verrückter Gamer, auf der sie beste Freund:innen werden, große Pläne schmieden und Harvard und Co. sausen lassen, um (endlich) das perfekte Computerspiel selbst zu entwickeln. Was der Eine nicht kann, weiß die Andere, jeder hat genau das richtige Talent. Die Firma "Unfair Games" ist schnell gegründet, das erste Spiel verkauft sich millionenfach. Sadie wird als Frau in der Welt der "Super-Marios" so erfolgreich, wie kaum ein anderer Spieleerfinder und beweißt, dass frau durchaus sexy UND genial sein kann. Sam, der seine "Sache mit dem Fuß" an einen Avatar weitergibt wird geliebt und vereehrt, ist das Gesicht der Firma. Marx, als engagierter Produzent, gibt dem Trio den letzten Schliff und sorgt für die perfekte Promo. Ein Leben in Saus und Braus beginnt aber nie ohne die Arbeit aus dem Blick verlieren, neue Spiele zu entwickeln und sich mit der Kehrseite des Erfolgs rumzuschlagen. Denn auch Scheitern gehört dazu und muss verkraftet werden. Und was passiert, wenn aus Freundschaft plötzlich Liebe wird und einer der drei das Nachsehen hat? Während Flugzeuge in Wolkenkratzer fliegen und digitale Parallelwelten immer radikaler werden, ist es schwer, seinen Idealen treu zu bleiben. Die Welt spielt verrückt und ausgerechnet eine virtuelle Regenbogenhochzeit öffnet die Dose der Pandora und bringt die Superstars zu Fall...
Wow! Was für ein Buch! Das ist so inspirierend und macht unglaublich gute Laune. Sollte man immer zur Hand haben! Genial! Grandios! Ein Buch über Arbeit, Freundschaft, Liebe und die Frage, was im Leben wirklich zählt!
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Unbedingt lesen!
A.L.Kennedy:"Als lebten wir in einem barmherzigen Land" (Verlag Hanser) | 27.3.2023
Die Königin der angelsächsischen Literatur bittet zu Tisch. Es ist angerichtet, die Messer sind gewetzt und das Mahl nur schwer verdaulich. Während der Lockdown die Bewohner des noch vereinten Königreichs, in ihre Festungen der Einsamkeit zwingt, ihnen manchmal sogar ihr Obdach, auf alle Fälle ihre Zuversicht nimmt, feiern die Politiker rauschende Feste. Pornographie und Glückspiel haben Hochkunjuktur. Die Polizei ist blind auf beiden Augen, kultiviert im Ausnahmezustand ihren Rassismus ihren Hass gegen Frauen, ihre Lust am Unterdrücken und diese uniforblaue, toxische Männlichkeit.
Während Anna zu Annanka Ladystrong und wieder zu Anna wird, sich radikalisiert um am Ende als Grundschullehrerin das bisschen Freude in ihre Schulklasse zu tragen, dass ihr noch geblieben ist, lichtet sich ihre Vergangenheit. Wir erfahren viel und doch nicht alles. Ahnen, warum Buster das sein musste, was er war und fragen uns wie gerecht die Ungerechtigkeit sein kann. Ist ein Killer nicht auch ein barmherziger Mensch, weil er die aus dem Weg räumt, die das Gute im Menschen mit Füßen treten? Darf man Verräter verraten? Gibt es die Möglichkeit eines besseren Lebens? Wem kann man trauen und wie gut kennt man eigentlich sich selbst?
Ein irres, wirres Buch, dass einem viel abverlangt. Tief legt A. L. Kennedy den Finger in die Wunde Großbritanniens. Erzählt von Korruption und Niedertracht. Ein ganzes Volk wird im Stich gelassen, an der Nase herumgeführt, während einige wenige sich bereichern. Politiker und Polizisten sind korrupt statt kooperativ und lassen ihre Schutzbefohlenen ohne mit der Wimper zu zucken, über die Klinge springen.
Das ist groß! Das ist ganz groß! Das ist Literatur in ihrer höchsten Form! Eine königliche Abrechnung über ein Königreich, dem Glanz und Gloria schon lange abhanden gekommen ist. Und wohl so wahrhaftig, dass es in England (erstmal) nicht velegt wurde und einzigartig in deutscher Übersetzung erschien, wie immer von Ingo Herzke und dieses Mal noch zusätzlich von Susanne Höbel.
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Unbedingt lesen!
Paul Brodowsky:"Väter" (Verlag Suhrkamp) | 20.3.2023
Während Paul versucht ein guter Vater zu sein, die Kinder im homeschooling bei Laune zu halten, sich die Arbeitszeit in der Kreuzberger "Schreibwohnung" mit seiner Frau gerecht zu teilen, stößt er immer wieder an die Grenzen seiner Geduld, seiner Kreativität und sitzt vor leeren Seiten. Die erste Schreibblockade bahnt sich an. Zu viel Verantwortung, Kinderchaos und Familienorganisation bremsen den erfogsverwöhnten Autor aus. Sein neues Buch soll die Topographie seiner Herkunft sein. Bei der Recherche wird Paul immer wieder tief in die Vergangenheit zurückgeworfen und umgetrieben von eigenen Erinnerungen. Durch intensive Gespräche mit dem Vater, kommt Paul erstmals wirklich in die Nähe seiner Familiengeschichte, die von vielen Brüchen und dunklen Flecken erzählt. Der Vater, geprägt von der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt Stuhm, der Onkel ein Kriegsgeschäftsführer in der NSDAP, die Fluchtgeschichte und ostpreußische Vergangenheit der Mutter. Als achtes und letztes Kind einer eher kontaktlosen und wenig liebevollen Erziehung, erinnert er sich an körperliche Züchtigung, pubertäre Rebellion, erste Liebe und die Angst, niemals gut genug zu sein. Um genau hinschauen zu können, muss man ehrlich mit sich selbst sein. Wieviel Vater steckt in Paul? Wie die patriachalen Strukturen der Väter und Goßväter durchbrechen und eigene Lebenskonzepte entwerfen. Welche Ideale können wir neu denken und an unserer Kinder weitergeben?
Tolles Buch über den "Fluch der Familie" und die Haut, aus der wir nicht immer so einfach rauskommen. Egal wie progressiv wir sind oder sein wollen.
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Unbedingt Lesen!
Alba de Céspedes:"Aus ihrer Sicht" ( Verlag Insel)) | 14.3.2023
Während Mussolini Italien fest im Griff hat, verucht Alessandra sich aus den Fängen des strengen, verbitterten Vaters zu befreien und zu emanzipieren. Schon ihre Mutter, die im Freitod die einzige Chance sah, selbstbestimmt zu handeln, glaubte an die Möglichkeit von Glück und einer großen Liebe, trotz patriachalischen Strukturen. Unter dem Joch dominanter Ehemänner, den Schrecken des Krieges und ständiger Entbehrungen, ist es den Frauen kaum möglich sich selbst, geschweige denn Wünsche, Träume und höherer Ziele einzufordern. Egal ob Faschisten oder Partisanen: Gleichberichtigung existiert nur unter Männern. Als Alessandra auf den Antifaschisten Francesco trifft, ihn heiratet und sie einander in tiefer Liebe verbunden sind, politisiert sich die junge Frau gegen seinen Willen. Während man auf das Kriegsende wartet, Francesco im Gefängnis sitzt, Alessandra mutig Bomben unter Erbsen und Salatköpfen schmuggelt, hofft sie auf die Möglichkeit eines Neuanfangs. Eine Beziehung auf Augenhöhe, gleichberechtigt und glücklich. Als sie feststellen muss, dass ihr Mann zwar unversehrt zu ihr zurückkehrt, doch seine hierarchische Vorstellung von Ehe und einem gemeinsamen Leben, haben Widerstand und Faschismus überlebt. Die Rückkehr an den Herd und in die traurige Sprachlosigkeit einer ungleichen Partnerschaft, stehen unweigerlich bevor. Für die enttäuschte junge Frau gibt es nur einen Ausweg.
Aus ihrer Sicht, wird Alessandra später vor Gericht, über die Tragödie einer großen Liebe erzählen. Über einen Mord als Akt des Widerstands gegen die mörderische Institution Ehe...
Nicht nur Annie Ernaux und Elena Ferrante waren von Alba de Céspedes tief beeindruckt. Ihre Stimme, ihre durchaus feministischen Romane haben ganze Generationen junger Frauen beeinflusst und schon früh Italiens verkrustete Strukturen in Frage gestellt.
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Unbedingt lesen!
Caroline Ronnefeldt:"Quendel" (Verlag Ueberreuter) | 7.3.2023
Wer Lust auf richtig gute Fantasy hat, und die Abenteuer der Hobbits in- und auswendig kennt, ist hier genau richtig. Gerade ist der abschließende Band der Trilogie erschienen. Grund genug, den Auftakt nochmal unter die Lupe zu nehmen. Während die Quendel, ein friedvolles und fröhliches Völkchen, in Finsters Unterwelt vordringen, um den verschwundenen Bullrich Schattenbart zurückzuholen, ereignen sich in ihrem Dorf schreckliche Dinge. Nebelwesen und Widergänger, Nachtmahre und Werwölfe, Chimären und Sturmvögel treiben ihr Unwesen. Die Schauergeschichten, die sonst nur gemütlich am Kamin erzählt werden, nehmen Gestalt an und versuchen das Böse über Grünlohe zu bringen. Vier mutige Gesell:innen, stellen sich dem Unheil entgegen. Sie straucheln und stehen wieder auf, verfallen dem Zauber der Macht und bringen sich gegenseitig auf den rechten Weg zurück, trotzen gemeinsam größten Gefahren und schlimmsten Versuchungen ...
Was für eine Saga! So spannend, dass man es kaum aushalten kann! Das Personal ist hinreißend, frech, charmant und äußerst einfallsreich. Die Sprache ist wunderbar altertümlich und hoch literarisch. Man rast durch opulente 445 Seiten, kann nicht aufhören und ist froh, dass die nächsten beiden Bände schon bereit liegen! Ein Wahnsinn, dieses Buch - und ganz großes Kino!
Also: Schotten dicht und alles klar machen zum Abtauchen!
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Unbedingt Lesen!
Annika Büsing:"Koller" (Verlag Steidl) | 3.3.2023
Eigentlich sollte die Fahrt an die Ostsee gehen, nicht länger als vier Stunden dauern und vielleicht in einem verliebten Sonnenuntergang enden.
Allerdings braucht es dann doch einige Tage - der Weg ist das Ziel. Ein aufregender Roadtrip in einer alten Klapperkiste führt Chris und Koller über Kassel und Ludwigsburg bis in die Eifel, die gerade absäuft, und tief in die jeweiligen Vergangenheiten der jungen Männer. Eine Schwester "mit Einschränkung" muss dringend besucht werden, mit einer Tochter, die es eigentlich gar nicht geben sollte - endlich den ersten Kontakt herstellen, außerdem warten die Kois der Großmutter auf Rettung. Auf der Suche nach Identität und dem Sinn des Lebens haben sich beide gegen ihre Familien und viele Konventionen entschieden, sind harte Jungs geworden und können doch aus dem Nichts in Tränen ausbrechen, tragen ihre Herzen auf der Zunge. Sie muten sich allerhand zu, fürchten ihre eigene Courage und stehen sich immer wieder selbst im Weg. Ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, Angst vor zu viel Nähe und die dringende Sehnsucht danach, stellt die beiden jungen Helden auf eine große Probe. Was ist Liebe und wie sich einlassen, ohne ein Risiko einzugehen? Wann ist es Zeit sich der Wahrheit zu stellen, die Karten auf den Tisch zu legen und "all in" zu spielen? Das Leben will gelebt werden und ohne Vergangenheit, gibt es keine Zukunft ...
Himmel, Arsch und Zwirn, was für ein grandioses Buch!
Eine Hommage an das Gute, Wahre und Schöne! Eine Ode an die Liebe und die Kraft der Zuversicht! Liebe ist wie Zucker: schlecht für die Zähne aber ohne schmeckt alles etwas fad. Mit Karacho, herrlicher Situationskomik und einer bittersüßen Zartheit zeigt uns dieser famose Entwicklungsroman, dass alles möglich ist. Wenn man es nur zulässt ... Bitte mehr davon, liebe Frau Büsing. Das brauchen wir in dieser trüben Zeit!
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Unbedingt lesen!
Milena Michiko Flasar:"Oben Erde, unten Himmel" (Verlag Wagenbach) | 28.2.2023
Wissen Sie überhaupt, wer so alles in Ihrem Haus wohnt? Kennen Sie Ihre Nachbarn? Wann haben Sie sie zuletzt gesehen? Wie alt sind sie? Haben sie einen Hund oder Goldfische? Und wie war noch gleich der Name von "rechts unten" im Erdgeschoss?
Tja, der arme Herr Ono jedenfalls ist unbemerkt und ganz allein verstorben. Erst als es anfängt, komisch zu riechen, kommt die Putzkolonne von Herrn Sakai auf den Plan. Und alle wundern sich immer wieder, wie es sein kann, dass Nachbarn aus dem Leben scheiden, ohne vom Rest des Mietshauses vermisst zu werden. Gibt's doch gar nicht, denkt Suzu, die selber eher zurückgezogen lebt und mit nichts und niemandem etwas zu tun haben will. Als sich ihr Hamster, der einzig zu ertragende Mitbewohner, plötzlich von ihr abwendet, ihr Chef im Restaurant sie vor die Tür setzt, weil die Gäste angeblich ihre stoische Art nicht mehr ertragen können, kommt Suzu ins Grübeln ...
Erst der neue job bei der "Reinigungsfirma der ganz besonderen Art" zeigt Suzu, dass man sich nicht nur einen unempfindlichen Magen antrainieren kann, sondern auch ein gewisses Interesse an seinen Mitmenschen. Und dass es am Ende sogar mehr Spaß macht, "gemeinsam einsam" zu sein, als allein. Herr Sakai und ihre neuen Mitarbeiter, die alle ein bisschen schräg unterwegs sind, lassen Suzu gesellschaftsfähig werden, Empathie entwickeln und bringen sogar den Hamster wieder dazu, aus seinem Häuschen zu kommen ...
Schön schrullig, herrlich skurril und auf ganz bezaubernde Art lernen wir, dass es nicht immer gut ist, seine Unzulänglichkeiten zu kultivieren und dass man auf der Welt nicht allein ist.
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Unbedingt lesen!
Franziska Gerstenberg:"Obwohl alles vorbei ist" (Verlag Schöffling & Co.) | 27.2.2023
Eine rote Linie quer durchs Haus. Tochter und Sohn zwischen den Eltern aufgeteilt. So sieht der geplatze Traum von Familie aus, an dem Charlotte und Simon viel zu lange festgehalten haben. Dass Kinder sich nichts vormachen lassen und Erwachsene schneller an sich selbst scheitern als gedacht, wird uns hier mit Bravour vor Augen geführt. Der Wunsch von etwas entspricht selten dem, was daraus wird. Stolz und falsche Selbsteinschätzung, Optimierungswahn und zu hoch gesteckte Ziele hindern uns oft daran, die Wahrheit zu erkennen, uns selbst richtig zu verorten und das Leben so zu sehen, wie es ist und nicht, wie wir es gerne hätten.
Erst ein schwerer Schicksalsschlag, ein langer Trauerprozess und die Frage, wie man weitermachen kann, "obwohl doch alles vorbei ist", lassen Simon und Charlotte eine Möglichkeit finden, dem Leben und sich selbst offen und ehrlich gegenüber zu treten und einen neuen Weg zu finden.
Hart an der Schmerzgrenze balanciert Franziska Gerstenberg zwischen Traum und Albtraum, dem ganz normalen Wahnsinn aus Liebe, Sehnsucht und unerfüllten Erwartungen. Glück und Unglück liegen dicht beieinander.
Ein Buch, das unter die Haut geht! Sehr beeindruckend!
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Unbedingt!
Percival Everett:" Die Bäume" (Verlag Hanser) | 20.2.2023
Erst lynchen, dann aufhängen. Oder umgekehrt. Egal. Bäume gibt es genug im Süden der Vereinigten Staaten. Hauptsache der Ku-Klux-Klan hatte seinen Spaß, konnte seine Mission erfüllen und den Rassimus kultivieren. Hätten die bloß damals schon gewusst, dass die alle mal wieder aufstehen und zur Nemesis ihrer Enkel werden, hätten Sie sich vielleicht doch etwas zurückgehalten ... In Money, einem Kaff in Mississippi, gehen seltsame Dinge vor sich. Eine Mordserie an weißen, dummen, Rassisiten versetzt das Couty in Angst und Schrecken. Bei jedem Toten liegt eine Schwarze "Emmett Till Leiche", anno1955 gelyncht und nur im Archiv von "Mama Z" noch aufgeschrieben und unvergessen.
Zwei afroamerikanische Ermittler, ein weißer, störrischer Sherrif, selbst mit schwarzen Wurzeln "an den Füßen", eine Schwarze, unerbittliche FBI-Agentin und ein untoter Rachegeist haben ordentlich zu tun. Bald schon überrollt eine "schwarz-asiatische Verschwörung", ein Feldzug des Aufstands der Geknechteten ganz Amerika, selbst der böse Clown Donald Trump kriegt einen Denkzettel verpasst. Am Ende führt der Weg zurück nach little Money, um dieses Mysterium aufzulösen ...
Hallelujah! Ist das gut! Ein Feuerwerk der Dialoge zwischen Slapstick, Farce und Agententhriller. Man lacht sich schlapp und auf der nächsten Seite schon, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Und eher "rare" als "well done" ist es auch. Den tumben Opfern wird die Männlichkeit abgeschnippelt, um sie den Schwarzen in die Hände zu drücken (warum wohl?) und auch sonst wird an Blut nicht gespart. Also nichts für ganz zarte Gemüter.
Für alle Anderen:
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Unbedingt Lesen!
Virginie Despentes: "Liebes Arschloch" (Verlag Kiepenheuer & Witsch) | 9.2.2023
Weil Zoé (junge Radikalfeministin) endlich ihre Wut auf die gesammte toxische Männlichkeit des Universums raushauen kann (#MeToo sei Dank) und Oscar (erfolgreicher, arroganter, alkoholabhängiger Schrifsteller ohne Selbstbewusstsein) für das an den Pranger gestellt wird, was er all die Jahre für "misslungene Anmache" hielt, kann Rebecca (Schauspielerin, Anfang 50, zynisch, gut aussehend, lange Drogenkarriere, noch attraktiv und erfolgreich aber ...) so richtig Position beziehen und fiese, verbale Rundumschläge verteilen. Eine digitale Brieffreundschaft entwickelt sich mehr aus Hassliebe denn Zuneigung, doch im Laufe der Zeit, nachdem alle ihr Gift verschossen haben und es ans Eingemachte geht, ändert sich die Beziehung und die wirklichen Fragen des Lebens werden verhandelt. Es geht ums Älterwerden (und Ältersein), um Beziehungen, Drogen und Abhängigkeiten aller Art, Selbstoptimierung (Selbstbetrug), Erfolg (die Hoffnung darauf und die Angst davor, irgendwann zu scheitern) und die Frage nach dem Sinn des Lebens. Will man alles haben oder nichts erwarten, will man sich anstrengen im Leben oder einfach nur mitmachen und warten, bis der "ganze Scheiß" vorbei ist? Hat man seine Sache gut gemacht (bis jetzt!) oder einfach nur Glück gehabt? Wer liebt uns und wie wichtig ist das eigentlich? Laufen wir vor oder immer nur hinterher?
Wer sich hier nicht irgendwo selbst findet und an die eigene Nase fassen kann, dem ist nicht mehr zu helfen ...
Herrlich rotzig, machmal verblüffend zart, ungewohnt liebevoll und versöhnlich haut uns Despentes alles um die Ohren, was uns ausmacht. Dieses Mal ist es das Schaf im Wolfspelz, das uns den Spiegel vorhält.
Chapeau! Sensationell! Großartig! Ein unglaublicher Lesespaß! Kann man gerade richtig gut gebrauchen!
Lesen!
Unbedingt Lesen!
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